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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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Linnenservietten auf, die – wenn sie sich recht erinnerte – vor vielen Jahren in Frankreich erstanden worden waren. »Als die Mutter der Mitford-Schwestern kürzertreten musste«, erklärte sie dazu, »hat sie zum ersten Mal gemerkt, wie viel die wöchentliche R einigung der Servietten kostete.«
    Normalerweise hätte Miranda auf zwei derartig pedantische Bemerkungen innerhalb kurzer Zeit mit einem heftigen Widerwort reagiert. Doch sie war zu beeindruckt von den sechs Mitford-Schwestern, die mit ihrem skandalumwitterten Leben eine monumentale Flut an Memoiren und Biografien hervorgebracht hatten.
    »Sie kam zu dem Schluss, dass die R einigung zu teuer war«, fuhr Annie fort, »weshalb sie künftig keine Servietten mehr benutzten.«
    »Aber denk doch nur, wie viel Geld sie dann für die R einigung ihrer Kleider ausgeben mussten«, wandte Betty ein und kicherte. »Sie hätten natürlich auch Papiertücher nehmen können …«
    Bettys und Josephs Haushälterin, die Brasilianerin Jocasta, die imVorjahr in R ente gegangen war, hatte die blütenweißen Servietten immer zu akkurat gefalteten R echtecken gebügelt. Im Cottage hatte Betty zu Anfang vorgeschlagen, die Servietten in die R einigung oder wenigstens in die Wäscherei bringen zu lassen, aber Annie hatte sich quergestellt.
    »Wir haben eineWaschmaschine und einenTrockner hier. Das sind so ziemlich die beiden einzigen Geräte im Haus, die funktionieren. Ich finde, wir sollten sie also auch benutzen und kein Geld verschwenden.«
    Was zur Folge hatte, dass sie nun ebenfalls für die Servietten zuständig war, auf denen sich inzwischen einige gelbe Flecken eingefunden hatten. Annie hatte jedoch nicht die Absicht, stundenlang herumzustehen und sie zu bügeln, während sie dabei Seifenopern im Fernsehen schaute, wie Jocasta es getan hatte. Annie legte die knittrigen, fleckigen Stoffstücke neben das gute Porzellan ihrer Mutter. Die Servietten sahen verdrossen und aufsässig aus, wie eine Horde räudiger R evolutionäre. Vielleicht sollten sie doch lieber Papierservietten benutzen.
    »Wascht euch die Hände vor dem Essen, Kinder«, sagte Betty.
    Kinder .War es möglich, dass man in fortgeschrittenem Alter an einem fremden Ort seine Kindheit noch einmal durchlebte, auch wenn eine der Schlüsselfiguren fehlte?, fragte sich Annie. Denn das fand hier offenbar gerade statt. O Josie, was hast du dir nur dabei gedacht, uns mit unseren drei Gedecken und Erinnerungsspielen alleinzulassen? »Das seltsameTrio« hatte Miranda sie genannt, und von Anfang an war klar, dass sie alle drei zickig waren und sich über die jeweils anderen zwei ereiferten – weil sie alle drei den Mann vermissten, der nicht mehr bei ihnen war.
    »Ich kann mir gar nicht vorstellen, was die Nachbarn über uns denken – drei alteWeiber in dieser Bruchbude«, äußerte Annie, als sie draußen eine Frau sah, die einen großen schwarzen Hund ausführte.
    »Ach, die denken, wir seien R ussinnen«, sagte Betty.
    »Wieso denn das?«
    »Weil ich es ihnen gesagt habe.«
    Annie lehnte die Stirn an die Fensterscheibe. R ussinnen?
    »Flüchtlinge!«, rief Miranda begeistert aus. »Das wird Cousin Lou gefallen.«
    »Ja. Ich hab erzählt, wir hätten alle drei unsere Ehemänner verloren.«
    »Und wie?«, fragte Annie.
    »Durch den KGB, Liebes. Wie denn sonst?«
    Diese erstenWochen der dreiWeissmann-Frauen inWestport waren von einer frohen, geradezu festlichen Stimmung geprägt. DasWetter war wie geschaffen für Urlaub: ungewöhnlich kühl für Ende August, mit klarem tiefblauen Himmel, an dem nur vereinzelte Wölkchen trieben. Nachmittags gab es ab und zu heftige Schauer, wie in denTropen.Wenn die R egenwolken sich verzogen, war die Luft prickelnd frisch und das Licht strahlend und golden. Betty war eine wunderbare Köchin, und sie bereitete auf dem alten Herd traditionelle Gerichte zu, die bei Annie und Miranda Kindheitserinnerungen an ihre Ferien wachriefen.Weshalb Betty das Kochen übernahm, wusste keine der drei so recht – es war nie besprochen worden –, aber nun bekochte sie ihre Töchter, wie sie es vor so vielen Jahren getan hatte. Lediglich an den Abenden, an denen sie zu Cousin Lou bestellt wurden, aßen sie außerhalb. Betty meinte, es sei ungehörig und gemein, Cousin Lous Einladungen nicht anzunehmen, zumal er ihnen ja das Cottage zurVerfügung gestellt hatte. Sie sagte nicht, dass sie fünfundsiebzig Jahre alt war und das Kochen sie manchmal auch anstrengte, und ihre Töchter fragten nicht

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