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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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angeht.«
    »Oh, ich finde Cape Cod im Winter großartig«, bemerkte Miranda. »Hoch oben auf den Dünen stehen, die nackten Füße im kalten Sand, während der Wind einem um die Nase bläst und dieWellen donnern … das ist unglaublich romantisch.«
    »Ich hoffe, Sie sind nun nicht enttäuscht, wenn ich sage, dass ich dort oben, vor allem im Winter, die R uhe am meisten schätze. Man ist dort so« – Frederick dachte einen Moment lang nach –, »so unbelastet.«
    Annie sann einen Moment über diesesWort nach, das sie überraschend fand. Unbelastet .
    »Das finde ich wirklich gar nicht romantisch«, erwiderte Miranda schockiert und streng zugleich, als habe Frederick gerade sein Hemd hochgezogen und ihr einen üblen Ausschlag gezeigt, für den sie zufälligerweise genau die passende Salbe in der Handtasche hatte. »Dagegen müssen wir etwas unternehmen.«
    Unbelastet . Annie fragte sich, weshalb sie diesesWort so bedrohlich und trostlos fand.
    »Frederick hat genug von R omantik«, sagte Felicity.
    »Hältst du mich dafür zu alt?«, fragte Frederick.
    »O nein, das Alter spielt dabei keine R olle. Es hat etwas mitTemperament zu tun, Frederick. Und mit Willenskraft.« Felicity lächelte bedeutsam und verzog dabei die Lippen zu einem Schmollmündchen.
    Miranda schilderte, wie sie inWellfleet einmal mit einem Gleitschirm über den Strand geflogen war, und meinte, Frederick könne seine romantischen Gefühle vielleicht wiederbeleben, indem er die Dünen von hoch oben betrachtete; dann wanderte sie davon zu einer Gruppe von Leuten, die sie zu kennen schien.
    »Warum bleibst du nicht über Nacht hier?«, sagte Gwen zu Frederick. »Bei einem von uns «, fügte sie mit einem Seitenblick auf Annie hinzu.
    »Ach, ich bin doch so ein Stubenhocker, Gwennie. Und ich habe dieseWoche auch so ein Kid als Haussitter, dem ich nicht recht traue – ich muss zurück.«
    »Dann solltest du lieber jetzt aufbrechen«, sagte Gwen und blickte Annie auffordernd an. »Meinen Sie nicht auch?«
    Auch Frederick sah Annie an. »Vielleicht kannst du mich mal dort besuchen kommen.«
    »Du könntest in R ed Hook drei Häuser haben für das Geld, was du dort für diese Bude zahlst«, warf Evan ein.
    »Wohl kaum«, entgegnete Frederick. »Und du wirst dir in R ed Hook selbst ein Haus kaufen müssen oder aber mein Ableben abwarten, denn ich habe nicht die geringste Absicht, dieses Haus zu verkaufen.«
    Evan zuckte die Achseln. »War ja nur ein Gedanke.«
    »Dad«, sagte Gwen und blickte auf ihre Uhr.
    Und ganz plötzlich stand Annie alleine da.
    Sie sammelte die sechs oder sieben unverkauften Bücher ein und dachte wehmütig an ihre eigenen Kinder.Wann würden ihre Söhne wohl anfangen, sie herumzukommandieren, anstatt umgekehrt?
    Als sie aufblickte, sah sie Frederick auf sich zukommen. Er nahm ihre Hände und gab ihr einen Kuss auf dieWange. Dann stießen sie mit der Nase zusammen, als er sie unerwartet auch noch auf die andere küsste.
    »Ich musste mich einfach noch bei dir bedanken«, sagte er. »Ich wollte nicht gehen, ohne mich bedankt zu haben.«
    »Aber nein, ich danke dir, dass du uns so ein großartiges Publikum beschert hast.«
    »Und mach dir keine Sorgen wegen meiner R ückfahrt«, fügte er im Gehen hinzu. »Ich könnte die Strecke im Schlaf fahren.«
    »Das wirkt nicht sehr beruhigend auf mich«, erwiderte Annie. »Das mit dem Schlaf, meine ich.«
    »Ich ruf dich an«, sagte Frederick, und dann war er verschwunden.
    Betty beobachtete ihre Tochter von der anderen Seite des Raums aus. Wie ernst sie wirkte. Attraktiv, aber auf eine sehr erdenschwere Art. Betty erinnerte sich daran, wie sie Annie einen mit Pailletten besetzten Pulli geschenkt hatte. Es war ein eleganter, geschmackvoller Pullover mit nur wenigen Pailletten gewesen, doch Annie hatte vollkommen angewidert geblickt, als sie ihn sah. Betty lächelte. Etwas Ähnliches war passiert, als Annie sich eine Cowboy-Kluft gewünscht und sie ihr einen rosa Cowgirl- R ock geschenkt hatte. Das hatte sie mit fünf Jahren schon als Beleidigung empfunden. Wenn Annie damals bereits das Wort »ordinär« gekannt hätte, dann hätte sie es zweifellos benutzt. Betty entsann sich daran, wie Joseph und sie abends im Bett über Annies angewiderte Miene gelacht hatten; es war ihnen peinlich gewesen, dass sie ihre Tochter so wenig kannten. Dennoch hatte es sie gerührt, wie Annie sich schon als kleines Mädchen bemüht hatte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Auch ihren Abscheu

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