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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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familiäre Stabilität für sich finden könnte. Betty winkte Kit zu, stieg die bröckelndeVerandatreppe hinunter und marschierte, gefolgt von Annie, über den vernachlässigten Rasen zum Auto.
    »Hallo, Kit!«, rief sie. »Hallo, Henry! Ihr seid ja früh dran!«
    »Eine R olle!«, sagte Miranda, um ein Lächeln bemüht. »Kit hat eine R olle gekriegt.«
    »Na ja«, murmelte Kit. »Eine kleine, in einem Independent-Film …«
    »Kit und Henry gehen weg«, sagte Miranda dann in merkwürdigem Singsang, als spräche sie mit Henry oder sei gerade im Begriff, verrückt zu werden. »Mit einem Flugzeug.«
    Darauf wurde Betty wieder von demselben unangenehmen Schwindelgefühl erfasst, das sie gespürt hatte, als Joseph ihr seine Entscheidung mitgeteilt hatte. Sie sah Mirandas Miene, hörte das krachende Echo, spürte die Kälte, die Übelkeit. Sie war eine Ewigkeit mit Joseph verheiratet gewesen, Miranda und Kit dagegen kannten sich erst etwa einen Monat. Aber im Grunde spielte die Zeit keine R olle dabei, oder? Nein, dachte Betty. Ein gebrochenes Herz ist ein gebrochenes Herz.
    »Wie lange werden Sie weg sein?«, fragte Betty Kit, obwohl sie die Antwort schon ahnte. Er sah nach »ich weiß nicht, für wie lange« aus, nach Abschied.
    »Ich muss nach L.A. … ich weiß nicht, für wie lange«, antwortete Kit und wandte sich wieder Miranda zu. »Es tut mir wirklich leid wegen heute Abend. Es tut mir einfach leid, Punkt.«
    Miranda griff wieder nach Henrys Hand. »L.A.« Sie wollte Kit erklären, dass Los Angeles zu weit entfernt war, dass auch eine kurze R eise schon unermesslich und einTag bereits zu viel wäre. Sie wollte ihm erklären, dass sie gerade eine Vision von ihrem gemeinsamen Leben gehabt hatte, wollte ihm erklären, dass ihr Herz nun endlich ein Zuhause gefunden hatte.
    Stattdessen fragte sie so beherrscht, wie es möglich war, ob Kit Henry nicht bei ihr lassen wollte. »Wäre das nicht einfacher? Ich meine, wenn du nur kurz weg bist …«
    Kit trommelte mit den Fingern aufs Autodach. »Schau, Miranda, ich weiß nicht, wie lange ich weg sein werde. Und seine Mutter kommt auch bald wieder, dann kann sie ihn nehmen.«
    Seine Mutter. Miranda legte Henrys Hand an ihreWange, presste sie an sich, spürte den Abdruck jedes Fingers.
    »Das alles tut mir echt leid …«, sagte Kit abermals. »Du wirst mir fehlen, Miranda. Du wirst uns beiden fehlen.«
    »Hey, es braucht dir doch nicht leidzutun«, zwang sie sich zu sagen. »Eine Filmrolle! Das ist doch toll, Kit!«
    »Ja.« Er zuckte die Achseln und sah dabei ziemlich kläglich aus.
    »Was?«
    »Nichts. Es ist toll.«
    »Herrje, dann kannst du dich doch auch freuen. Nicht wahr, Henry?« Sie beugte sich ins Auto und legte dieWange an Henrys Gesicht. Er machte schmatzende Kusslaute und drückte die klebrigen Lippen an ihr Gesicht. »Ich hab dich lieb, Henry«, flüsterte Miranda.
    »Ich hab Randa auch lieb«, rief er.
    Miranda richtete sich auf. Sie fühlte sich orientierungslos, weit entfernt von dem kleinen Auto, dem Mann, der vor ihr stand, ihrer Mutter, ihrer Schwester. Wie albern von ihr. Die beiden verreisten doch nur für eineWeile, und außerdem hatte sie auf beide keinen Anspruch. Visionen warenTräume.Träume waren erfundene Geschichten. Erfundene Geschichten waren Lügen. »Hals- und Beinbruch«, sagte sie mit ihrem offiziellen strahlenden Lächeln zu Kit.
    »Ja. Danke. Ich ruf dich dann an.« Er umarmte sie rasch. »Mach ich wirklich.«
    Betty deutete das »wirklich« auf ihre Art. Sie griff nach Mirandas Hand und drückte sie.
    Miranda zog ihre Hand weg. »Ist schon okay.«
    »Randa!«, schrie Henry plötzlich verzweifelt, als derWagen anfuhr. »Randa! Randa!«
    »O Gott«, sagte Kit. »Bitte nicht jetzt, Henry.«
    Miranda winkte und rief Henry »Wiedersehen« zu, und er winkte mit seiner kleinen Patschhand, während seinVater ihm einen Schnuller in den Mund schob.
    Miranda stand auf der Zufahrt unter der halb toten Kiefer, und ihr Lächeln erlosch.
    »Ich habe mitgekriegt, dass er es gerade erst erfahren hat und seinen Flug erwischen musste«, sagte Annie. »Aber das kam ja überraschend.«
    »Henry wird uns fehlen. Süßer kleiner Kerl«, äußerte Betty. Sie konnte sich nicht überwinden, etwas über Kit zu sagen.
    Miranda sagte nur: »Sie sind weg.«
    Betty versuchte, dem heftigen Mitgefühl, das sie erfasste, keine Beachtung zu schenken. Leere war so ein unerwartet lastendes, schweres, wuchtiges Gefühl. Es war bedrückend und dumpf und niederträchtig.

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