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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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los.«
    »Aber das Essen ist doch erst um sieben. Ihr könnt bis dahin hierbleiben. Oder lass Henry einfach hier, wenn du noch was zu erledigen hast. Wir haben ganz wichtige Sachen zu besprechen, nicht wahr, Henry?«
    »Mit Flugzeug fliegen«, sagte Henry und klatschte in die Hände.
    »Flugzeug?«, fragte Miranda. »Wann denn?«
    »Heute!«
    »Wow! Bringt euch das Flugzeug heute Abend zu Cousin Lou?«
    Henry schüttelte heftig den Kopf und schob die Unterlippe vor. Dann kniff er die Augen zusammen. Und brach so unvermittelt inTränen aus wie eine Gewitterwolke, die abrupt aufplatzt und sich abregnet.
    »Aber, Schätzchen«, sagte Miranda, ging neben demWagen in die Hocke und streichelte Henry den Kopf. »Was ist denn?Was ist passiert?«
    Kit blickte mit gequälter Miene um sich, als erwarte er von irgendwoherVerstärkung. Dann biss er sich auf die Lippe und sagte: »Tut mir echt leid, Miranda. Aber wir müssen los … Na komm schon, Henry, ist gut jetzt …« Er förderte die Überreste eines langen Kaubonbons aus seiner Jackentasche zutage. »Hier, Henry. Und jetzt hör auf zu weinen, okay?«
    Henry nuckelte traurig an dem roten Streifen.
    Miranda streichelte Henry weiter den Kopf. »Mein armer Kleiner«, sagte sie leise. »Was hast du denn?«
    Henry drückte einen Kuss auf ihr Handgelenk. Die Berührung, so sachte, als habe ein Schmetterlingsflügel ihre Haut gestreift, durchströmte ihren ganzen Körper. Miranda nahm Henrys Hand und hielt sie an ihreWange. Das ist alles, dachte sie. Diese kleine Hand in meiner Hand.
    Dann wurde sie von einer raschen Folge präziser Bilder und Wahrnehmungen überflutet: Sie trug Henry auf der Hüfte, während sie … nein, nicht während sie kochte, sondern als sie ein R estaurant betrat. Mit Kit an ihrer Seite. Sie sah, wie sie Henry kleine Stücke California R oll fütterten, die er gerne aß, ohne Wasabi allerdings. Spürte die Bettdecke, als sie Henry abends zudeckte, seinen weichen Atem, als sie seine Wange streichelte. Die schwitzige Wärme seines Körpers, mit schwerer nasser Windel, wenn er morgens aufwachte und sie ihn an sich drückte. Das Knirschen, wenn Henry seine Cornflakes aß. Jeden Abend, jeden Morgen. Dann, in einem Jahr oder so, würde er zur Vorschule gehen und stolpernde Kinder seines Alters kennen lernen, und sie würde ihn dort hinbringen, ihn an der Hand halten, schön langsam gehen und ihn auf den Arm nehmen, wenn er müde wurde. Laster, würde er rufen und auf die Müllabfuhr zeigen, wenn sie vorbeirumpelte. Müllmann wollte er werden, wenn er groß war, und sie würde ihn stolz anschauen und denken: Du bist wunderbar, Henry. Du bist wunderbar, und ich gehöre zu dir.
    Kit war nun zu ihr getreten, und als er sprach, blickte Miranda mit glücklicher Miene zu ihm auf.
    »Hm?«, sagte sie. »Entschuldige …«
    »Ich habe gesagt, wir dürfen wirklich nicht unseren Flug versäumen …«
    Miranda legte den Kopf schief wie ein Hund, ein vertrauensvoller, ahnungsloser Hund, der eine Anweisung nicht verstanden hat.
    »Flugzeug?«, sagte sie und schaute fragend zu Kit hoch.
    »Hör zu, ich wollte mich verabschieden. Es ist alles so verrückt und überstürzt. Und ich wollte mich entschuldigen wegen heute Abend …«
    »Warte mal«, sagte Miranda. »Wie?«
    Einen Moment lang hatte sie gedacht, Kit hätte gesagt, dass er seinen Flug nicht versäumen dürfe. Henry streckte die Hand vor sich aus und spreizte die Finger. Sie betrachtete sie bewundernd. Sie sahen wie ein fantastisches exotisches Insekt aus. Eine neue Art, die sie entdeckt hatte.
    »Ich habe eine R olle«, sagte Kit.
    Miranda hatte den Eindruck, dass er »ich hab eine R olle« gesagt hatte, und fragte sich, weshalb er nicht im Plural sprach, aber dann wurde ihr bewusst, was er meinte.
    » R olle?«, fragte sie.
    »Schau, ich hab’s erst grade erfahren«, sagte Kit und wirbelte nervös mit der Schuhspitze Staub auf. »Das ist ein echter Durchbruch. Ich meine, es ist eigentlich Pipifax, eine winzige R olle, aber jedenfalls habe ich mal wieder Arbeit.«
    Arbeit, dachte Miranda. Arbeit ist gut. Sag ihm was Nettes. Aber sie spürte nur panische Angst. Ihre Arbeit hatte sie früher auch geliebt. Doch nun liebte sie Henry. Und vielleicht – aber nur vielleicht – auch Kit.
    »Arbeit!«, sagte sie.
    Betty beobachtete die drei von derVeranda aus und dachte, dass sie wie eine Familie aussahen. Vielleicht war dieses unwahrscheinliche Arrangement wider Erwarten doch tragfähig für Miranda.Wenn sie nur eine

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