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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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hier.«
    »Ach, jetzt erinnere ich mich … das Cottage und dein Cousin … Cousin Lou ist also dein Cousin, und du bist in sein Cottage gezogen.«
    Annie fragte sich, ob er wohl an ihreWohnung, an ihr Schlafzimmer, an ihr Bett dachte. Ob er sich daran erinnerte.
    »Wir wohnen gleich da unten.«
    »Am Strand? Das ist ja fantastisch. Mein Haus ist auch direkt amWasser.« Frederick sah plötzlich unangenehm berührt aus und tippte sich nachdenklich mit zwei Fingern an die Lippen. »Mein Haus …«
    »Dein Haus …«, wiederholte Annie, wie man es bei einem Kind macht, um es zumWeitererzählen zu bewegen.
    »Hm?«
    »Dein Haus? AmWasser?«
    »Mein Haus«, sagte Frederick wiederum, mehr zu sich selbst als zu Annie. »Mein Haus amWasser. Dunkel und gefährlich …«
    »Das Haus oder dasWasser?«
    »… vonTag zuTag dunkler und gefährlicher …«
    »Du hörst dich an wie meine Schwester!«
    »Ja, aber sie findet Dunkelheit und Gefahr schön.«
    »Und du?«
    »Ich finde es dunkel und gefährlich …« Er verstummte und sagte dann unvermittelt mit einem bemühten Grinsen: »Na, genug davon. Du bist also hier, weil du hier lebst, und ich bin hier, weil Gwennie im Whitney Museum Mrs. Cousin Lou kennen gelernt hat. Und jetzt sind sie Busenfreundinnen.« Er lächelte, diesmal entspannter. »Dieser Ausdruck funktioniert eigentlich nicht mehr richtig, oder? Jammerschade. Als traditioneller Mann des vergangenen Jahrhunderts konnte man damit so viel aussagen. Ich kann mir das noch nicht ganz abgewöhnen.«
    Annie begann sich zu entspannen. Sie mochte den Mann einfach. Ob Frederick sich nun daran erinnerte, was sie zusammen erlebt hatten, oder nicht – sie erinnerte sich jedenfalls daran, und warum sollte sie etwas so Erfreuliches auch vergessen?Was aber nicht bedeutete, dass sie sich nun in derVergangenheit verlieren wollte. Annie war zu dem Schluss gekommen, dass es in ihrem Alter sinnvoller war, nach vorne zu blicken.
    »Hat Peter De Vries nicht inWestport gelebt?«, fragte Frederick. »Ich vermisse ihn, und ich frage mich, weshalb. Seine Bücher sind doch immer noch da, und sie sind so großartig wie eh und je, aber er ist nicht mehr da.Verstehst du, was ich meine?«
    Annie bejahte die Frage, sann jedoch darüber nach, ob Frederick nicht vielmehr mit dem Thema beschäftigt war, wann er vielleicht selbst nicht mehr da sein würde. Er war immerhin jenseits der sechzig. Spürte er auch, wie sich die Zeit verschob? Die Neigung des Abhangs?Von nun an ging’s bergab …
    »Lucy hat inWestport gelebt«, sagte Annie, um die schwermütige Stimmung zu vertreiben, in die sie gerade hineingeriet. »In der Serie, nach der Geburt von Little Ricky. Und der Film Der Mann im grauen Flanellanzug war auch hier angesiedelt.«
    »Und jetzt du: AnnieWeissmann.«
    »Kontinuität ohne Zusammenhang«, bemerkte Annie.
    Das Gespräch machte ihr Spaß, und sie schilderte Frederick die Begeisterung ihrer Mutter und ihrer Schwester für die ehemalige Irrenanstalt.
    »Und meine Schwester ist beim Kajakfahren fast ertrunken und von einem jungen Schauspieler gerettet worden«, fügte sie hinzu. Dann erörterten sie eineWeile das Thema Kajaks und Boote im Allgemeinen, um dann auf unerklärlicheWeise bei der gemeinsamenVorliebe für den Schauspieler James Mason zu landen, den sie beide gelegentlich mit Dirk Bogarde zu verwechseln pflegten.
    »Einmal dachte ich an diese großartige gespenstische Szene aus Tod in Venedig , in der Gustav von Aschenbachs Schminke zu verlaufen beginnt«, sagte Frederick. »Und erstTage später fiel mir auf, dass ich dabei die ganze Zeit James Masons Gesicht vor mir gesehen hatte.«
    Von der anderen Seite des Zimmers rief jemand: »Dad!«
    Es war Fredericks Schwiegersohn. Annie empfand einen Anflug von Mitleid für Frederick, weil er von seinem Schwiegersohn »Dad« genannt wurde.
    Ich denke oft an Gustav von Aschenbach, wenn ich mich selbst schminke, dachte sie, doch sie hätte den Satz auch laut sagen können, denn Frederick starrte sie an.
    »Dad! Da bist du ja«, sagte FredericksTochter, die jetzt mit ihrem Mann und den kleinen Töchtern zu ihnen trat. »Oh, hallo«, sagte sie dann rasch zu Annie. »Sind Sie nicht die Bibliothekarin? Ann, oder? Wie nett, Sie ausgerechnet hier zu treffen.« Gwen hielt eines der kleinen Mädchen auf dem Arm, das versonnen an einem Cracker knabberte.
    »Ausgerechnet hier«, wiederholte Annie.
    »Das ist R on, mein Schwiegersohn, und diese kleine Person«, sagte Frederick und strich der Kleinen

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