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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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war hier jeder zwei Jahre alt oder zweihundert? Gerechterweise musste man zwar einräumen, dass R oberts nicht tatterig war, sondern hochgewachsen und kräftig. Sein Schritt war entschlossen, und er hatte die angenehm gebräunte und wettergegerbte Haut eines Menschen, der viel Zeit in der Natur verbringt. Ferner sah er recht vornehm aus mit seiner schmalen gebogenen Nase, die englisch-aristokratischer, italienisch-aristokratischer oder einfach jüdischer Herkunft sein mochte. Und er hatte einen schön geformten Mund. Darauf hatte Betty bereits hingewiesen – dass sein Mund so weich wirkte und nicht zum R est seines Gesichts passte. Aber Miranda war nicht in der Stimmung, R oberts’ Mund oder seine gute Haltung zu goutieren. Sie hatte Schmerzen im Kopf und Schmerzen im Herzen.
    R oberts war neben sie getreten und ließ sichWein nachschenken. Da es kein Entkommen gab, entschied sich Miranda zu einem matten Lächeln.
    »Alles in Ordnung?«, fragte R oberts. »Ihre Mutter …«
    »Sie ist inTrauer. Das ist alles sehr anstrengend für sie.«
    »Ich mag Ihre Mutter. Sie ist eigentlich unermüdlich. Aber vielleicht muss jeder sich dann und wann eine Schwäche erlauben. Das Alter ist eine anstrengende Sache – anstrengend, wenn man sich dagegen auflehnt, anstrengend, wenn man es zulässt. Meine Mutter sagte immer, man müsse mutig sein, um alt zu werden.« Er hielt inne, als sei er über diese vielenWorte ebenso überrascht wie Miranda. »Wobei Ihre Mutter natürlich nicht alt ist«, fügte er hinzu. »Ich dachte dabei eher an mich selbst.«
    »Ach, Sie sind doch so jung wie der Frühling«, erwiderte Miranda höflich, obwohl sie in Wirklichkeit dachte, er müsse wohl an die siebzig sein. Und was für eine Zumutung, vom Alter so zu sprechen als sei es gleichbedeutend mit dem Leben. Ihr stand plötzlich schmerzhaft das Bild von Kit vor Augen, dem jungen strahlenden Mann voller Neugierde und Hoffnung, an der Seite seines lebhaften kleinen Sohnes.
    R oberts lachte. »Den Frühling habe ich jedenfalls schon öfter erlebt«, sagte er. »Sie dagegen sehen wunderbar aus. Ich habe gehört, was Ihnen an demTag zugestoßen ist, als sie mit dem Kajak aufs Meer rausfuhren. Und ich muss zugeben, dass ich mir Sorgen um Sie gemacht habe. Ich fühle mich nämlich etwas mitverantwortlich dafür. Ich hätte Sie unbedingt davon abhalten müssen, bei solchemWetter rauszufahren.«
    Miranda fragte sich, ob der Anwalt ein bisschen zu tief ins Glas geguckt hatte. Noch nie zuvor hatte sie erlebt, dass ihm ein derartigerWortschwall über die zugegebenermaßen – lass demTeufel seinen Willen, wie Josie immer zu sagen pflegte – sinnlichen Lippen gekommen wäre. »Das ist reizend von Ihnen«, sagte sie und dachte dabei, bitte verschwinde jetzt, du alter Knacker. »Aber Sie hätten mich ohnehin nicht aufhalten können. Niemand kann mich von etwas abhalten, ich bin ein wandelnder Albtraum. Und wie sich gezeigt hat, hat mir mein Kajakabenteuer an diesemTag durchaus Glück gebracht. Ich habe nämlich einen neuen Freund gewonnen – Kit Maybank. Kennen Sie ihn? Er hat mir das Leben gerettet. Er ist Schauspieler. An sich sollte er heute Abend auch hier sein, aber er hat gerade eine R olle in einem Film bekommen und musste verreisen. Er ist ausgesprochen begabt.« Miranda merkte, dass es ihr schwerfiel, sich von dem Thema zu lösen. »Er hat ein Kind, einen hinreißenden Jungen namens Henry …«
    »Ah«, äußerte R oberts mit seiner ruhigen Stimme.
    »Henry«, wiederholte Miranda, und es klang so angriffslustig, als hätte R oberts den Jungen schlecht behandelt. »Henry sieht seinemVater extrem ähnlich.«
    R oberts murmelte etwas Unhörbares und versank in seinem gewohnten Schweigen.
    Als alle im Esszimmer Einzug hielten, trug Frederick eine seiner rosigen Enkelinnen auf den Schultern. Die Kleine trommelte auf seinen Kopf und trällerte mit hoher Kinderstimme ein Lied, das in dem großen Raum erstaunlich gut zu hören war. Dann wurde sie zu ihrer Schwester gesetzt, und die beiden lümmelten in ihren Kinderstühlen herum und ließen die Zunge aus dem Mund hängen.
    Annie saß nahe dem Kopfende des langen Tisches und bemühte sich, eine ruhige, würdevolle Gelassenheit auszustrahlen. Sie spürte Fredericks Anwesenheit, der ihr gegenübersaß, schaute aber nicht auf. Als sie mit ihm gesprochen hatte, war er zwar nicht innig, auf jeden Fall aber herzlich gewesen. Doch nachdem Gwen mit ihrer Gefolgschaft erschienen war, hatte er sich plötzlich sehr

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