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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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geträumt hatte, spielte nun Zink Lattimore, einen schwulen Graffiti-Künstler. Der arme Kit schämte sich, das war alles. Deshalb hatte er sich nicht mehr gemeldet. Er hatte gehofft, klammheimlich in den Niederungen von billigen Fernsehserien abtauchen zu können, ohne ihr hehres Bild von ihm zerstören zu müssen.
    »Erinnerungen sind was Komisches«, sagte Miranda zu Annie, die wie üblich freiwillig den mittleren Sitzplatz übernommen hatte.
    »Nutzlose Details über Autoren«, erwiderte Annie. »Daraus bestehen meine Erinnerungen. Heute ist zum Beispiel R ex Stouts Geburtstag.«
    »In welcher Straße lebte sein Detektiv gleich wieder? Das war damals schon so eine komische Adresse«, bemerkte Betty.
    »Thirty-fourth Street. 918 West Thirty-fourth Street, manchmal auch 922 oder 904. Einmal war es die East Thirty-fourth Street. Aber immer dasselbe Sandsteinhaus.«
    »So warst du schon als Kind«, kommentierte Betty und tätschelte Annie stolz den Arm.
    » Erinnerungen , meinte ich«, sagte Miranda gereizt. »Erinnerungen, nicht Gedächtnisklauberei.«
    »Erinnerungen sind wie Fisch«, erwiderte Betty. »Sagt man das nicht so? Nach dreiTagen fangen sie an zu stinken.«
    Unter ihnen lag eine weißeWolkenschicht, die gelegentlich aufriss und den Blick auf Kornkreise und Flüsse und bleiche, kahle Winterlandschaften freigab. Annie schaute an ihrer schlafenden Schwester vorbei auf das staubige Fenster und den blauen Himmel draußen. Sie musste sich immer noch daran gewöhnen, dass sie eingewilligt hatte, zu Lou, R osalyn und Mr. Shpuntov nach Kalifornien zu reisen. Aber es war ihr einfach nicht gelungen, Miranda diesenWunsch abzuschlagen. Seit Kit MaybanksVerschwinden hatte sie ihre Schwester nicht mehr so lebhaft gesehen. Annie nahm an, dass die beiden Kontakt aufgenommen hatten.Waren sie wieder irgendwie zusammen? Annie fragte sich, ob das ein Anlass zur Freude wäre. Miranda hatte den Kopf ans Fenster gelehnt und lächelte glücklich imTraum, während draußen weißeWattewolken vorüberdrifteten. Doch, wenn es Miranda glücklich machte, wäre es ein Anlass zur Freude. Und Betty, die Flugzeuge hasste, zu R osalyn einVerhältnis hatte, das man durchaus als »angespannt« bezeichnen konnte, undWeihnachten mitVorliebe bei sich zuhause feierte, trat nun, nachdem sie sich Mirandas Willen gebeugt hatte, wie eine waschechte Konvertitin für die Sache ein.Weihnachten in der Wüste! Palm Springs! Wie in den Fünfzigern! Wie weiland das Rat Pack!
    »J. Smeaton Chase hat in Palm Springs gelebt«, hatte Annie angemerkt. »Er hat auch ein Buch darüber geschrieben.«
    »Über die ganzen Promis und so?«, fragte Betty.
    »Nee. Mehr über die ganzen Kakteen und so.«
    Am Flughafen holten sie ihren Mietwagen ab. Andere Ausgaben würden sie während der ganzen zweiWochen nicht haben. Cousin Lou hatte darauf bestanden, die Flugtickets zu bezahlen. Sie hatten sich hartnäckig geweigert, das anzunehmen, bis R osalyn ihnen erklärt hatte, dass Lou Flugmeilen dafür benutzen würde, die andernfalls verfallen würden.
    »Seid nicht stolz«, hatte R osalyn gesagt. »Das ist nicht mehr angesagt.«
    Betty war zu stolz gewesen, um sich dazu zu äußern.
    Nun saß sie am Steuer des kleinen Ford Focus, der vom Wind gebeutelt wurde, und gondelte über die Landstraße. Ihre Töchter hatten angeboten zu fahren, mit dem Argument, dass der Flug doch so lange gewesen und sie bestimmt müde sei.Was natürlich im Klartext hieß, dass beide Betty für alt hielten. Die Straße war miserabel, aber der Himmel war endlos weit und strahlend blau, man sah immer häufiger Kakteen anstelle von Einkaufszentren, und die schneebedeckten Berge kamen nach und nach näher. Betty bemühte sich, die Aussicht zu genießen. Nun fuhren sie durch einen Hain hoher weißer Windmühlen.
    »Wow«, sagte Miranda. »Versuch mal, gegen die zu kämpfen.«
    Sie hielten auf der Zufahrt eines einstöckigen Hauses, das sich in Gesellschaft anderer einstöckiger Häuser befand. Das Dach mit den beiden aufragenden Flügeln glich einer Nonnenhaube.Vor der Haustür standen zwei Männer: R osalynsVater, Mr. Shpuntov, und R oberts, der Anwalt, der mehr oder minder im R uhestand war.
    Annie öffnete das Fenster und rief den beiden einen Gruß zu.
    »Ach je«, sagte Miranda. »Altherrenschwatz, die beiden armen alten Seelen.«
    » Deine Seele ist jedenfalls mit Sicherheit nicht alt«, erwiderte Annie. »Infantil vielleicht, aber bestimmt nicht alt.« Meine hingegen ist ziemlich in die Jahre

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