Die drei Frauen von Westport
seufzte, lauter als beabsichtigt, weshalb R oberts, der gerade hereinkam, besorgt zu ihr herüberschaute und sich dann zu ihr setzte.
»Sie machen sich Sorgen«, sagte er.
»Nein. Eigentlich nicht. Dann gäbe es ja noch Hoffnung.«
»O je.«
»Ich verstehe es einfach nicht. Aber vielleicht ist das Ende einer Ehe ja wie Gott, und man kann es gar nicht verstehen.«
R oberts nickte verständnisvoll. »Meine Frau ist vor zehn Jahren gestorben, und das begreife ich auch immer noch nicht. Ich vermisse sie jedenTag.Vermissen Sie Ihren Mann auch?«
»Ja. Jede Minute. Es ist einfacher, wenn ich mir einrede, er sei tot.Verzeihen Sie mir – das klingt so herzlos. Aber wenn er lebt … wenn er lebt und sich so benimmt … tja … Und er hat sich immer so viel darauf eingebildet, ein anständiger Mann zu sein …«
R oberts sagte: »Manchmal muss man Menschen etwas beibringen, oder? Sogar anständigen Menschen und vor allem solchen, die sich dafür halten.«
Betty mochte den Klang seiner Stimme. Er hörte sich nicht hysterisch und zornig an wie ihre Töchter, nicht vorsichtig und pessimistisch wie ihre Anwälte, nicht dumpf und hoffnungslos wie ihre eigene innere Stimme. Sogar mit Cousin Lou zu sprechen, der ihr Ratschläge zum Umgang mit dem Immobilienthema ihres »Falls« gegeben hatte, war anstrengend – er klang bemüht ermutigend und mitfühlend, was Betty auf die Palme brachte. R oberts’ Stimme dagegen war ruhig und entschlossen, als sei sie zu einem Ort unterwegs, den sie unter allen Umständen erreichen wollte. R oberts stellte ihr ein paar Fragen zu ihren Anwälten und ihrem »Fall«. Betty hatte noch mit keinem rechtskundigen Menschen außer ihren Anwälten darüber gesprochen, aber die schienen das R echt als eine Art unwägbaren Hindernislauf zu empfinden, bei dem sie barfuß ein unbekanntes steiniges Gelände durchqueren mussten.
»Das hat mir richtig Spaß gemacht!«, sagte Betty danach. »Erstaunlich, wie gut es der Seele tut, wenn man sich mal richtig ausjammern kann.«
»Na, warten wir mal ab, was als Nächstes passiert«, sagte R oberts lächelnd. »Warten wir mal ab, wie es dem großen verstorbenen JosephWeissmann ergehen wird.«
Betty lächelte ihn an. »Ja, warten wir mal ab«, pflichtete sie R oberts bei.
Cousin Lou kam hereinmarschiert und krakeelte: »Alle Mann an Deck! Alle Mann an Deck!« Und erst nachdem sich alle Bewohner des Hauses einschließlich seines verwirrten Schwiegervaters um ihn versammelt hatten, verkündete Cousin Lou: »Heute feiere ich fünfzig Jahre Eheglück.«
R osalyn klatschte in die Hände wie ein kleines Mädchen.
»Ich freue mich sehr, dass ihr alle, meine Familie, an diesem wunderbaren Fest der Liebe teilhaben könnt.«
Annie warf einen Blick auf ihre Mutter und ihre Schwester, um zu sehen, ob die beiden eine derartige Festivität verkraften konnten. Betty sah mutlos und Miranda angespannt aus.
»Deshalb möchte ich euch alle einladen –«
»Und natürlich Amber und Crystal«, warf R osalyn ein.
»Und natürlich Amber und Crystal«, sagte Lou und deutete eineVerbeugung vor seiner Frau an. »Ich möchte euch hiermit alle zur großen Seafood Night im Country Club einladen.«
»Meeresfrüchte in der Wüste!«, sagte R osalyn. »Hier gibt’s wirklich alles.«
»Müssen wir kostümiert sein?«, fragte Annie besorgt; sie erinnerte sich an dieWestern-Abende in den Jugendlagern ihrer Söhne, bei denen sie dann zu Shorts und T-Shirts Stirnbänder und Stiefel trugen.
»Man isst Berge von Fisch und Meeresfrüchten, die auf Silberplatten serviert werden«, erklärte Cousin Lou.
»Das sind alles bedrohte Arten und außerdem voller Quecksilber«, bemerkte Miranda.
Miranda war schon seit dem Aufstehen rastlos und übellaunig. Aus der freudigen Aufregung der letztenTage war etwas anderes entstanden, der Blüte von Algen gleich. Sie war launisch und unausgeglichen und konnte sich schlecht beherrschen. Betty legte den Finger auf den Mund, um sie zum Schweigen aufzufordern.
Annie blickte ihre Schwester stirnrunzelnd an. Wie üblich war sie nun gefordert, Mirandas Höflichkeitspatzer auszugleichen. »Meeresfrüchte!«, sagte sie. »Das liebt doch jeder!«
R oberts schaute beide Schwestern imWechsel an und sagte: »Ganz genau.«
Armer R oberts, dachte Annie – auch nicht zum ersten Mal an diesemTag.
»Mm, lecker«, sagte Betty und vertiefte sich wieder in ihr Buch.
Als R osalyn am Nachmittag von einer weiteren »Schluckspritztour« mit Amber und Crystal im
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