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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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praktischer, wenn man mehr Geld hätte, wundersam hin oder her. Daraufhin kapitulierte Annie und setzte in erbostem Schweigen ihre Berechnungen fort.
    Wie jede Nacht wurde sie dann von den R echnungen verfolgt und wälzte sich schlaflos im Bett herum. Das matte Mondlicht, so kalt wie ein Marmorgrabstein, fiel durchs Fenster, während Annie vor Sorgen keine R uhe fand.
    Ihr Zorn und ihre Frustration über ihre Mutter und ihre Schwester waren aber nur ein paar Sandkörnchen im Wind ihrer wahrenWut, die auf Josie und nun auch auf Felicity gerichtet war. Annie konnte noch immer nicht fassen, dass der Mensch, der ihnen allen so viel Leid gebracht hatte, die Schwester von Frederick Barrow war.
    »Und wenn man sich mal vorstellt, dass R osalyn diese verschlagene Familie zu R osch ha-Schana eingeladen hat«, sagte Annie eines Abends, als sie trübsinnig vor dem künstlichen Kaminfeuer hockten. »Vielleicht hat Frederick sich deshalb so komisch benommen.«
    »Du meintest doch, er sei gar nicht komisch gewesen«, murmelte Miranda.
    »War er aber.«
    »Hört mal zu«, sagte Betty unvermittelt. »Ich suche mir einfach einen Job.«
    »Und was willst du machen, Mom? BeiWalmart die Leute begrüßen?«
    Betty beugte sich interessiert vor. »Ist es beiWalmart so nett wie im Costco?«
    Aus diesen Gründen waren die drei Frauen ungemein erleichtert, als sie von Lou und R osalyn nach Palm Springs eingeladen wurden.
    »Wir haben fünfzigsten Hochzeitstag«, verkündete R osalyn, als sie anrief. »Ist das nicht unglaublich?«
    Betty gratulierte ihr kühl.
    »Allen Widrigkeiten zumTrotz«, sagte R osalyn.
    »Und wie geht’s deinemVater?«, fragte Betty, um ihr unsensiblesVerhalten auszugleichen. »Wie geht’s Mr. Shpuntov?«
    »Er fühlt sich pudelwohl in der Wüste.«
    Betty sah vor ihrem geistigen Auge Mr. Shpuntov wie einen Pudel durch die Wüste traben.
    »Also, Betty«, sagte R osalyn dann in diesem belehrendenTonfall, der Betty grundsätzlich auf die Palme brachte; das war R osalyns Dozentenstimme. »Also, Betty, nun hör mir mal zu und sei nicht bockig. Ihr Mädels fehlt uns.«
    Betty trat auf dieVeranda. Der Himmel war wolkig und grau, das Licht matt und dämmrig. In der Nacht hatte es geregnet, und die Bäume glänzten dunkel und nass. Es gab hier nichts zu tun und zu sehen, nicht einmal zu hören, weder Vögel noch Kinder. Jegliches Leben war im Winter zum Erliegen gekommen, und sie roch nur die Nebelkälte und den muffigen altenTeppich auf derVeranda.
    »Ihr fehlt uns auch«, sagte Betty. Vielleicht vermissten die Mädchen Lou und R osalyn tatsächlich, aber das wusste sie nicht genau. Sie selbst jedenfalls vermisste lediglich einen einzigen Menschen.
    »Wir möchten gerne, dass ihrWeihnachten hier bei uns verbringt. Ihr seid natürlich zu allem eingeladen. MeinVater sagte unlängst, er hätte noch nie jemanden erlebt, der seinen Freunden gegenüber so großzügig ist, aber du kennst uns ja, Betty – so sind wir eben. Und ich möchte nicht, dass du dir nun Ausflüchte einfallen lässt, weshalb ihr nicht kommen könnt. Eine R eise wird euch guttun, Betty. Lou und ich machen uns Sorgen um euch. Sogar meinVater hat mich darauf angesprochen. In dieser Hütte kann es euch ja nicht gut gehen – wobei ich denVermietern natürlich nicht zu nahe treten möchte, haha! Kleiner Scherz von mir. Aber so sieht’s nun mal aus. Niemand da, mit dem du reden könntest – abgesehen von deinen Töchtern natürlich. Du hast wirklich Glück, deine Töchter zu haben. Aber ich komme auch bestens zurecht, nicht wahr, auch ohne Kinder? Lou hat seine großeWahlfamilie. Das ist doch wirklich Grund zum Lachen.«Was R osalyn dann auch tat.
    Betty, die nicht richtig zugehört, aber die Wörter »Glück« und »Töchter« registriert hatte, erwiderte abwesend »o ja«.
    »›O ja‹ gibt’s jetzt aber nicht, BettyWeissmann. Ich weiß, was du denkst. Du glaubst, wir machen euch dieses großzügige Angebot nur, weil wir Mitleid mit euch haben. Das verstehe ich, wirklich, aber glaub mir, wir machen es vor allem , weil wir euch lieben und weil wir wollen, dass es euch gut geht.«
    Betty wanderte zu ihrem Schreibtisch zurück, aber sie blickte nicht auf die Papiere und bunten Hefter, die dort zu hohen Stapeln aufgetürmt waren. Sie starrte auf den Fernseher. Dort lief gerade eine Serie, die sie gerne sah, weil sie in einer Küstenstadt spielte, die mancherlei Ähnlichkeit mitWestport aufwies – wennWestport von Spionen,Terroristen, Gangstern und

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