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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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hohe, zerklüftete, bedrohliche Anhäufungen aus Erde und Stein, die im Zwielicht weicher wirkten, im Dunkeln unsichtbar waren, durch gigantische Vorstädte und Staub an Wichtigkeit verloren. Wenn man sich selbst nicht alt fühlte, war es schwierig, einen jungen Mann als so viel jünger zu empfinden. Miranda bestellte sich einen Martini, trank ihn aus und bestellte sich den nächsten.
    Dabei ließ sie den Blick durch den Raum wandern, geduldig und aufmerksam.
    Aus irgendeinem Grund war sie sicher, dass er hier sein würde. Sie hätte nicht begründen können, warum sie davon überzeugt war, und wie vieleVorahnungen hätte sich auch diese als nichtig erweisen können und wäre dann vergessen worden. Doch MirandasVorahnung traf zu; sie war eine Sibylle, eineWeissagerin, eine Seherin, denn dort drüben schritt gerade ein Mann über den rotenTeppich, diese lächerliche Gangway mit den Messingpfosten, und dieser Mann war Kit Maybank.
    Miranda kippte sich den Martini hinter die Binde. Kit war hier, wie sie es vorhergesagt hatte.
    »Er ist hier«, sagte sie beiläufig zu Annie.
    »Hm?« Annie folgte dem Blick ihrer Schwester. »O mein Gott, tatsächlich.« Sie hob den Arm und winkte, aber Kit sah sie nicht. »Hab mir doch gedacht, dass du deshalb in den letztenTagen so gut gelaunt warst.«
    Miranda ließ Kit nicht aus den Augen, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. »Ja.«
    Mehrere junge Männer, die ein Autogramm haben wollten, scharten sich um Kit. »Meine Güte, mir war nicht klar, dass Serienstars auch so berühmt sind«, bemerkte Annie. »Muss wohl an den Männerküssen liegen.«
    »Ja«, sagte Miranda wieder.
    Sie machte immer noch keine Anstalten, sich zu bewegen. Annie fragte sich, ob ihre Schwester vielleicht schon zu angeschickert war, um aufzustehen. Sie wartete, aber Miranda blieb sitzen.
    »Was ist denn, Miranda?«, fragte Annie. »Alles okay?«
    »Ja, klar.«
    »Seafood Night. Wie ulkig.Wusstest du, dass Kit heute Abend hier sein würde?«
    »O ja, ich wusste es.« Miranda betrachtete ihr Spiegelbild im Buttermesser und blickte ihre Schwester dann über die Klinge hinweg entschieden an, damit sie nicht auf die Idee kam, ihr zu widersprechen. »Ich hatte eineVorhersehung.«
    »Moment mal … ihr hattet euch gar nicht abgesprochen?«
    Doch Miranda hörte nicht mehr zu. Die Band stieg jetzt in Love Shack ein. Miranda sah Kit, der sich gesetzt hatte. Sie erhob sich. Jetzt würde alles gut werden. DieWelt war großartig, eineWelt vollerVorhersehungen, Meeresfrüchte und Bar-Mizwa-Musik, eineWelt, in der man über eineTanzfläche spazieren und alten Hennen und jungen Schwuchteln ausweichen und die Hände auf die Schultern eines Mannes legen und sich vorbeugen und ihn auf den Kopf küssen und dann sehen konnte, wie er verwirrt aufschaute und lächelte.
    Peinlich berührt lächelte.
    Und aufstand und einem die Hand schüttelte.
    Und sagte: »Miranda! Was machst du denn in Palm Springs?«
    Mit kalter, argwöhnischer Stimme.
    »Kit!« Sie hörte sich nervös lachen. Kit ließ ihre Hand los. Miranda sah ihre blasse Hand in der Luft schweben wie einenVogel. Dann flatterte sie zu ihrem Gesicht. »Wie schön, dich zu sehen«, sagte sie. »Wo ist Henry? Ich hoffe, ich kann ihn auch noch sehen.« Sie sprach zu schnell und musste tief Luft holen.
    »Henry?«, sagte Kit, als handle es sich um einen entfernten Bekannten.
    Miranda stieß wieder ein nervöses Lachen aus.
    »Henry ist bei seiner Mutter.«
    »Oh.«
    »Das geht also nicht«, sagte Kit.
    »Oh«, wiederholte Miranda. Der kleine Henry. Henry hatte eine Mutter.
    »Henry?«, fragte jetzt die Frau, die neben Kit saß, und wandte Miranda einen Moment lang ihr schönes Gesicht zu. Nicht ganz so jung wie die anderen am Tisch, dachte Miranda.Warum kam sie ihr so bekannt vor? Aus der Uni? Eine Lektorin? Dann dämmerte ihr: eine Schauspielerin. Und zwar eine berühmte.
    Kit lächelte der Frau zu, als wolle er sagen: Es ist nichts. Gar nichts.
    Miranda hielt Ausschau nach einem leeren Stuhl, den sie für sich heranziehen konnte. Bemerkte, wie Kit vorsorglich nach der Lehne seines Stuhls griff. Sie schaute Kit an, wollte einen Scherz darüber machen, dass sie seinen Stuhl schon nicht klauen würde, doch er sah gar nicht nach Scherzen aus. Sondern extrem angestrengt.Was strengte ihn so sehr an? Er holte tief Luft, wandte den Blick ab, öffnete und schloss mehrmals die Augen. Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas ging hier vor sich. Und Miranda hatte eineVorahnung.
    Kit ergriff die

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