Die drei Frauen von Westport
festen Gewohnheiten.«
»Wie ich«, bemerkte Mr. Shpuntov.
Die Seafood Night war die erste von diversen Abendveranstaltungen im Country Club. Das Clubhaus, ein modernes kreisförmiges Gebäude, erinnerte mit seinen R undungen und Messinggeländern an ein Kreuzfahrtschiff. Als sie eintrafen und sich an einem großen runden Tisch an einem Fenster mit Aussicht auf den Golfplatz niederließen, war die erste R unde Austern, Muscheln und Krabben schon verputzt. Auf dem Buffet standen nur noch leere Platten mit Eisflocken, die jedoch postwendend durch volle ersetzt wurden. Auch Hummer und Krebs wurden aufgetragen.
»Wie bei einer Bar-Mizwa«, sagte Miranda traurig, weil sie an Kits Geschichte von seinem Freund Seth denken musste.
Annie hatte sich immer eine Bat-Mizwa gewünscht, aber Betty fand dergleichen ordinär, und Josie erachtete sämtliche religiösen Feste für primitiv, weshalb Annie bis zu ihrem Studium wartete, um Hebräisch zu studieren. Denn die Bat-Mizwa hatte sie sich vor allem aus diesem Grund gewünscht. Ihre Eltern hatten angenommen, es ginge ihr um das Fest und die Geschenke. Aber Annie war versessen darauf, die tote Sprache zu lernen. Eine Sprache zu sprechen, die es schon seit so langer Zeit gab – das war für sie, als offenbare man ihr ein Geheimnis. Auf der Highschool hatte sie aus demselben Grund Latein gewählt. Ihre Söhne gingen alle beide auf eine hebräische Schule, fanden es jedoch offenbar nicht sonderlich spannend, die geheime Sprache zu erlernen. Doch als sie dreizehn wurden, lasen sie ihreTexte aus derTora und wurden in die R eihen der jüdischen Männer aufgenommen. Dagegen hatten Betty und Josie nicht das Geringste einzuwenden. Es war manchmal seltsam mit Großeltern und Enkeln.
»Ich wünschte, ich hätte Enkel«, sagte Annie, als sie alle an dem großen runden Tisch saßen.
»Ja, das wünscht man sich«, erwiderte Betty lächelnd.
»Du bist doch viel zu jung«, wandte Miranda ein.
»Ja, und vor allem sind meine Söhne zu jung.«
»Palm Springs färbt auf dich ab«, mutmaßte R osalyn. »Du willst dich hier bloß mit den ganzen anderen Alten zur R uhe setzen.«
»Alt, aber oho«, sagte Lou und küsste sie.
In derTat befanden sie sich vorwiegend in Gesellschaft alter Menschen – Frauen mit ledrig gebräunter Haut und dürren Armen und Beinen, Männern mit Bäuchen und dicken rot geädertenWangen. Sie sahen alle so knackig und betucht aus mit ihren weißen Hosen und farbigen Oberteilen. Betty wusste, dass sie auch zu den Alten zählte, aber vom entspanntenWohlstand dieser Leute hier blieb sie ausgeschlossen. Sie war alt und arm. Wie war es nur dazu gekommen? Sie sehnte sich danach, zu diesen sportlichen Senioren zu gehören, und zugleich verachtete sie diese Leute mit ihren lächerlichen Wüstenrasenflächen und bunten Golfcarts und kurzärmligen Sporthemden. Sie trug Schwarz und war froh darüber.
Doch es gab auch jüngere Leute im Raum; junge Männer und Frauen, die Platten mit Bergen von Austern, Hummer und Spargelsalat die breite, gewundene Rampe vom Eingang zu den gedeckten Tischen hinuntertrugen.
»Die Schwulen«, raunte R osalyn. »Die halten das hier am Laufen. Wir anderen sterben ja aus«, fügte sie erklärend hinzu. »Aber das ist das neue Blut. Ich mag neues Blut.«
Auf einem kleinen Podium saß eine Band, bestehend aus Keyboarder, Gitarrist und Schlagzeuger, die nun YMCA anstimmte. Annie musste Miranda beipflichten: das Ganze erinnerte tatsächlich an eine Bar-Mizwa.
»Hier kommt das neue Blut angelaufen«, bemerkte Miranda.
»Nette Jungs.Tanzen gerne«, sagte R osalyn.
Und tatsächlich forderte der junge Mann R osalyn zumTanzen auf.
»Die wissen, dass die Ehemänner nicht gerne tanzen«, sagte Lou und sah zu, wie seine zarte Frau über den Parkettboden derTanzfläche glitt. Die dreiWeissmann-Frauen bemerkten nun, dass sich auch alle anderen Paare auf derTanzfläche aus einer mageren, elegant aufgemachten, älteren Frau und einem sportlichen, elegant aufgemachten, jungen Mann zusammensetzten.
Miranda wandte den Blick ab. Die Tanzpaare mit ihrem Altersunterschied beeindruckten sie wenig. Cousin Lou mochte sich über den großen Altersunterschied zwischen ihr und »dem jungen Kit« lustig machen, aber sie identifizierte sich in keiner Weise mit den alten Hennen, die dort von ihren jungen Partnern herumgeschwenkt wurden. Sie wurde demnächst fünfzig, aber sogar dieses monumentale Alter schien ihr so entfernt und ungreifbar wie die Berge dort draußen –
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