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Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Titel: Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Constable
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gelebt haben. Da flippe ich eben nicht mehr jedes Mal aus.«
    »Ja, aber du hast in Paris gewohnt und Tomomi Ishikawa ist deine Vermieterin und dann triffst du rein zufällig mich vor der New York Public Library und gehst mit mir auf Schatzsuche zu irgendeiner Frau nach Hause und jetzt bringst du mich in dasselbe Café, in dem ich heute Morgen gefrühstückt habe.«
    »Ehrlich?« Endlich war sie mal beeindruckt.
    »Ich weiß nicht, aber mir erscheint das wie eine ganze Menge Zufälle für einen einzigen Tag.«
    »Stimmt, das sind wirklich viele Zufälle. Aber Zufälle sind was ganz Normales. Merkwürdig wäre es, wenn es keine Zufälle gäbe. Das würde bedeuten, dass es irgendeine höhere Macht gibt, die gleichartige Dinge voneinander getrennt hält. Und das wäre dann wirklich schräg.«
    Darüber musste ich eine Sekunde nachdenken. »Okay, du hast recht. Aber ich weiß einfach nicht, was ich von alldem halten soll. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich annehmen soll, dass da irgendetwas im Gange ist.«
    »Jetzt mal ganz locker bleiben, Kumpel«, sagte sie wie ein cooler Cop aus dem Fernsehen. »Darauf ist kein Mädchen sonderlich scharf. Du bist ja echt nett, und lustig auch, aber wieso musst du so ein Theater darum machen, dass wir ein paar Sachen gemeinsam haben? Andere Leute freuen sich über so was und lassen es dann gut sein.«
    »Aber das Ganze hat damit angefangen, dass du mich gefragt hast, ob ich Feuer habe.«
    »Na und?« Ihr Blick folgte meinem zu dem Feuerzeug, das sie immer noch in der Hand hielt. »Ich habe gerade in meiner Tasche danach gekramt, als ich gesehen habe, dass du rauchst. Es war leichter, dich zu fragen. Und dann hattest du so einen putzigen Akzent und hast mir die Sache mit der Schatzsuche und deiner toten Freundin erzählt. Das war eine ziemlich verlockende Kombination für eine stinknormale Mittagspause.«
    »Okay.«
    »Und dann wolltest du mit mir einen Kaffee trinken gehen und da habe ich mich gefragt, ob die ganze Geschichte wohl nur eine ziemlich aufwendige Masche ist. Aber das alles wirkte zu skurril, um erfunden zu sein, und du siehst einfach zu unschuldig aus.«
    »Das mit der Unschuld ist nur Fassade.« Mein Verstand war noch immer nicht ganz beschwichtigt, aber ich musste aufhören, mir so viele Gedanken zu machen.
    »Nach diesem Wein muss ich aber auch los«, erklärte Beatrice. »Ich habe immer noch ziemlich viel zu tun und ich will nicht schon mitten am Nachmittag sturzbetrunken sein.«
    »Okay.«
    »Außerdem möchtest du doch bestimmt das Notizbuch lesen, das wir gefunden haben.«
    Wir gingen zurück ins Café, aßen unser Essen und tranken den Wein. Beatrice war ein kleines bisschen beschwipst und redete ziemlich viel. Sie hatte dieselben Bücher gelesen wie ich, ihr Wissen über Popmusik war geradezu enzyklopädisch und sie kannte alle guten Pariser Cafés und Bars von La Butte aux Cailles bis Montmartre. Ich mochte sie.
    Fünf Minuten und eine zweite Flasche Wein später waren drei Stunden vergangen und Beatrice sah auf die Uhr und stöhnte: »Ach, verdammt, ich muss los. Kannst du die Kellnerin nach der Rechnung fragen, während ich mal kurz telefoniere?« Dann stand sie auf und ging nach draußen.
    Als sie zurückkam, hatte ich schon bezahlt.
    »Du hast alles allein bezahlt?«
    »Ja.«
    »Dann gebe ich dir was dazu.«
    »Nein, das geht auf mich, wenn du nichts dagegen hast.«
    »Okay. Danke. Dann bin ich aber nächstes Mal dran.«
    »Gut.«
    »So, jetzt muss ich aber wirklich los. Ruf mich mal an und halt mich auf dem Laufenden, wie du mit deiner Schatzsuche vorankommst, und dann trinken wir unseren Kaffee.«
    »Eigentlich trinke ich gar keinen Kaffee.«
    »Wie bitte?«, fragte sie in gespieltem Entsetzen. »Also hattest du tatsächlich nie die Absicht, mit mir Kaffee trinken zu gehen?«
    »Nein, tut mir leid.«
    Sie beugte sich zu mir rüber und küsste mich auf die Wangen, als wären wir in Frankreich, dann sagte sie: »Wir sehen uns.«
    »Bis dann.«
    Ich überlegte, ob ich bleiben sollte, um Butterflys Notizbuch zu lesen, aber nach meiner morgendlichen Wanderung taten mir die Beine weh und von dem Wein war mir ganz schwummrig im Kopf. Ich wollte allein sein, also ging ich zurück ins Hotel.
    Keiko Sasaki (1941 – 1999)
    Eines Tages, vor langer Zeit in New York, stieg eine Frau namens Keiko Sasaki (die ich als Komori kannte) in ein Taxi und fuhr in eine Privatklinik in New Jersey, um dort zu sterben.
    Schon seit ich ein kleines Kind war, bereitete Komori mich

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