Die drei Musketiere
dafür!« in d'Artagnans Hände, der sie, den Anschauungen der damaligen Zeit gemäß, ohne viel Umstände vergnügt in die Tasche schob und sich mit einer tiefen Reverenz dafür bedankte... »So«, sagte der König weiter,
»schon halb neun? Da muß ich die Herren leider bitten, mich allein zu lassen. Sie haben wohl schon gehört, daß ich jemand erwarte? Vielen Dank nochmals für Ihre Ergebenheit! Ich darf auch weiter darauf rechnen?« – »Oh, Sire«, riefen die vier Kameraden wie aus einem Mund, »für Majestät ließen wir uns in Stücke hauen!« – »Schon gut, schon gut!« erwiderte der König, »aber bleiben Sie lieber ganz! Das ist besser, denn ganz sind Sie mir von größerem Nutzen... Tréville«, sagte er, während die anderen sich zurückzogen, »da Sie in Ihrem Korps
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niemand unterbringen können, und ich auch nicht von der vorgeschriebenen Probezeit abgehen möchte, bringen Sie den jungen Mann in der Garde Ihres Schwagers Des Essarts unter!...
Ha! wie sich der Kardinal darüber ärgern wird!«
Er winkte Tréville mit der Hand, und die Audienz war zu Ende.
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Die Musketiere zu Hause. / Intrige am
Hofe
Als die drei Musketiere mit d'Artagnan den Louvre verließen, wurde beratschlagt, was jeder am besten mit den auf ihn fallenden zehn Pistolen anfinge. Athos riet zu einem fürstlichen Diner, Porthos zu einem betreßten Pagen, Aramis zu einer hübschen Geliebten. Das Diner, von Athos ausgewählt, wurde am nämlichen Tage verzehrt, und der Page, ein Pikarde, vom glorreichen Porthos geworben, bediente dabei; er hieß Planchet und hatte sich durch die stattliche Erscheinung des Musketiers bestimmen lassen, einzuschlagen, war aber einigermaßen enttäuscht, als er erfuhr, daß Porthos schon einen Pagen habe, und daß er nicht für ihn, sondern für den Bearner Junker bestimmt sei. Da er aber bei dem Diner aufwartete und seinen neuen Herrn eine Handvoll Goldstücke aus der Tasche langen sah, hielt er sein Glück für gemacht und dankte dem lieben Gott, daß er ihm solchen Krösus als Herrn beschert habe. Aber alle Luftschlösser zerfielen in Staub, als er seinem Herrn am Abend das Bett machte, das einzige Möbel in der aus Vor- und Schlafzimmer bestehenden Wohnung. Mußte er doch im
Vorzimmer auf den Dielen schlafen und sich mit einer Decke behelfen, auf die von nun ab d'Artagnan in seinem Bett verzichtete.
Athos hatte seinen Pagen Grimaud für seinen Dienst
besonders abgerichtet. Athos war ein sehr schweigsamer Herr; etwa sechs Jahre war er nun mit seinen Kameraden Porthos und Aramis in engerem Verkehr, und doch konnten beide sich kaum besinnen, ihn einmal lachen gesehen zu haben. Was er sagte, war kurz und bündig; von Ausschmückung war keine Rede. Er war zwar erst dreißig Jahre, und ein Mann von hervorragender Schönheit des Leibes wie des Geistes, aber von einer Geliebten hatte noch kein Kamerad etwas bei ihm gemerkt. Von Frauen
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sprach er nie, wehrte aber niemand, in seiner Gesellschaft über Frauen zu sprechen, doch merkte man bald, daß ihm das Thema nicht angenehm war. Um von seinen Gewohnheiten nicht lassen zu müssen, hatte er seinen Pagen gewöhnt, ihm jeden Wunsch vom Mund abzulesen, und richtete nur in besonders wichtigen Fällen das Wort an ihn. Grimaud, der vor seinem Herrn einen gewaltigen Respekt hatte, ihn aber auch seines umfassenden Geistes halber in hohen Ehren hielt, glaubte in der Regel, alles richtig verstanden zu haben, besorgte alles prompt, aber nur sehr oft grundverkehrt. Athos verabreichte dem Pagen dann eine Tracht Prügel, ohne jedoch sonderlich in Zorn zu geraten, zuckte die Achseln und war an solchen Tagen besonders schweigsam.
Porthos war von entgegengesetzter Gemütsart; er sprach nicht nur viel, sondern auch laut; es kam ihm aber nicht darauf an, ob ihm jemand zuhörte oder nicht, sondern er sprach, weil es ihm Spaß machte, und weil er sich gern sprechen hörte. Er sprach auch vo n allem, bloß nicht von wissenschaftlichen Dingen.
Gegen alles, was mit Gelehrsamkeit zusammenhing, hatte er von Kindesbeinen an, wie er sagte, einen unausrottbaren Haß. Er sah nicht so vornehm aus wie Athos. Er tröstete sich aber damit, daß er, was Athos von sich nicht sagen konnte, das Vorzimmer des Herrn von Tréville, wie auch die Wachstube des Louvre mit Gesprächen über seine Liebesaffären füllte, denn, nachdem er den Bürgerstand, den niedern und höhern Adel durchgekostet hatte, bemühte er sich zur Zeit um nichts Geringeres, als um eine ausländische
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