Die drei Musketiere
wieder da.« – »Herrgott!
Was ist dann aus ihr geworden?« – »Ruhig! Man wird's
erfahren; dem Kardinal verbirgt man nichts; der Kardinal weiß alles.«
»Glauben Sie, gnädiger Herr, daß in diesem Fall der Kardinal mir sagen lassen wird, was aus meiner Frau geworden ist?« –
»Vielleicht; aber zuvor müssen Sie alles bekennen, was Sie von den Beziehungen Ihrer Frau zu Madame von Chevreuse etwa wissen.« – »Aber, gnädiger Herr, davon weiß ich gar nichts; ich habe die Dame niemals gesehen.«
»Ist Ihre Frau, wenn Sie sie aus dem Louvre abholten, immer gleich mit Ihnen nach Hause gegangen?«
»Fast nie; ich habe sie in der Regel zu Leinwandhändlern geführt, mit denen sie zu tun hatte.« – »Und wieviel
Leinwandhä ndler waren das?« – »Zwei, gnädiger Herr.« – »Wo wohnen sie?« – »Einer in der Rue de Vaugirard, und einer in der Rue de la Harpe.« – »Sind Sie mit Ihrer Frau bei den Leuten gewesen?« – »Niemals, gnädiger Herr; ich habe immer an der Tür gewartet.« – »Und welchen Vorwand benutzte sie, um allein zu den Leuten zu gehen?« – »Soviel Rücksichten nimmt meine Frau nicht; sie hat mir einfach gesagt, ich solle warten, und da habe ich eben gewartet.« – »Sie sind ein recht lammfrommer Ehemann, mein lieber Herr Bonacieux!« meinte der Kardinal. –
»Er nennt mich immer seinen lieben Herrn,« dachte der Krämer,
»die Sache scheint sich günstig für mich zu gestalten!« –
»Würden Sie die Türen zu den Leuten wiederfinden?« – »Ja.« –
»Wissen Sie die Hausnummern?« – »Ja.« – »Welche sind's?« –
»Nummer 25 in der Rue de Vaugirard und Nummer 75 in der Rue de la Harpe.« – »Gut, gut«, erwiderte der Kardinal.
Bei diesen Worten griff er nach einer silbernen Klingel und schellte. Der schmucke Offizier trat wieder ein. – »Holen Sie
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mir Rochefort her«, sagte er halblaut, »er soll sofort kommen, wenn er wieder zurück ist«. – »Der Graf ist da«, antwortete der Offizier; »er bittet um sofortige Audienz bei Eurer Eminenz.« –
»Er soll kommen, sofort,« rief Richelieu lebhaft.
Der Offizier schoß aus dem Zimmer. – »Eminenz?« murmelte Bonacieux, die Augen verdrehend, vor sich hin.
Keine fünf Minuten waren seit dem Verschwinden des
Offiziers verstrichen, als die Tür sich zum andern Mal öffnete und eine neue Persönlichkeit eintrat.
»Er ist's!« rief Bonacieux. – »Wer?« fragte der Kardinal. –
»Der mir meine Frau entführt hat!«
Der Kardinal klingelte wieder, und der Offizier erschien.
»Übergeben Sie den Mann da wieder seiner Wache«, befahl er,
»er soll warten, bis ich ihn wieder hereinrufe.« – »Nein, gnädiger Herr, er ist's nicht!« rief Bonacieux, »nein, ich habe mich geirrt; ein andrer ist's, der ganz anders aussieht. Der Herr hier ist ein ehrenwerter Herr!« – »Führen Sie den Schafskopf ab!« befahl der Kardinal. Der Offizier faßte Bonacieux unterm Arm und führte ihn wieder in das Vorzimmer, wo ihn die beiden Wachen in Empfang nahmen. Die neueingetretene
Persönlichkeit folgte voll Ungeduld Bonacieux mit den Augen, bis er verschwunden war, und, sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, trat er rasch zum Kardinal und flüsterte: »Sie haben einander gesehen!« – »Wer?« fragte Seine Eminenz. –
»Sie und er.« – »Die Königin und der Herzog?«, rief Richelieu.
– »Ja.« – »Und wo?« – »Im Louvre.« – »Von wem wissen Sie das?« – »Von Madame de Lannoy, die, wie Sie wissen, Eurer Eminenz treu ergeben ist.« – »Warum hat sie es nicht früher gesagt?« – »Die Königin hat, ob aus Zufall oder aus Mißtrauen, Madame de Surgis in ihrem Schlafzimmer nächtigen lassen und den ganzen Tag bei sich behalten.« – »Gut. Wir sind geschlagen.
Versuchen wir unsere Rache zu nehmen.« – »Wie hat sich die Sache abgespielt?« fragte der Kardinal. – »Die Königin war um Mitternacht mit ihren Damen in ihrem Schlafgemach, als ihr von
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seiten ihrer Weißzeugbeschließerin ein Taschentuch übergeben wurde. Sie zeigte sogleich große Unruhe und alle Schminke, die sie aufgetragen hatte, konnte nicht verhindern, daß man sie erbleichen sah.« – »Weiter, weiter!« – »Sie stand jedoch auf und sagte mit leicht erregter Stimme: ›Meine Damen, warten Sie, bitte, zehn Minuten auf mich, dann bin ich wieder hier.‹ Darauf hat sie die Alkoventür aufgemacht und ist hinausgegangen.« –
»Warum hat Madame de Lannoy Sie nicht auf der Stelle
benachrichtigt?«
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