Die drei Musketiere 2
Aramis fort, »die Einzelheiten fehlen mir.« – »Mir auch«, sagte Porthos.
D’Artagnan und Athos sahen sich einige Zeit stillschweigend an. Als Athos sich gesammelt hatte, machte er schließlich, noch bleicher werdend, als er gewöhnlich war, ein Zeichen der Einwilligung, und d’Artagnan begriff, daß er reden konnte.
»Nun gut«, ergriff d’Artagnan darauf das Wort, »es müßte etwa folgendes gesagt werden: ,Mylord, Eure Schwägerin ist eine ruchlose Person, die Euch hat umbringen lassen wollen, um Euch zu beerben. Sie hätte aber Euren Bruder gar nicht heiraten dürfen, denn sie war schon in Frankreich verheiratet und ist …‹«
D’Artagnan hielt inne wie um das richtige Wort zu suchen, und sah Athos an.
»Von ihrem Mann fortgejagt worden«, ergänzte Athos.
»Weil sie gebrandmarkt war«, fuhr d’Artagnan fort.
»Was?« rief Porthos. »Unmöglich. Sie hat ihren Schwager umbringe n lassen wollen?« – »Ja.« – »Sie war verheiratet?«
fragte Aramis. »Ja.«
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Diese beiden Ja rührten von Athos her, der sie in immer düsterer werdendem Ton sprach.
»Und wer hat diese Lilie gesehen?« fragte Aramis weiter.
»D’Artagnan und ich, oder vielmehr, um die chronologische Reihenfolge einzuhalten, ich und d’Artagnan«, antwortete Athos.
»Und der Mann dieser schändlichen Kreatur lebt noch?« fuhr Aramis in seinen Fragen fort. – »Er lebt noch.« – »Seid Ihr dessen sicher?« – »Ich bin dessen ganz sicher.«
Es trat auf einen Augenblick eisiges Stillschweigen ein, währenddessen jeder den empfangenen Eindruck nach seiner Art verarbeitete.
Dann ergriff Aramis die Feder, dachte einen Augenblick nach, schrieb acht bis zehn Zeilen mit einer zierlichen
Frauenhandschrift und las sodann mit weicher Stimme, als ob jedes Wort ängstlich von ihm erwogen worden wäre, wie folgt:
»Mylord,
die Person, die Euch diese Zeilen schreibt, hat die Ehre gehabt, den Degen in einem kleinen Gehege der Rue d’Enfer mit Euch zu kreuzen. Da Ihr seitdem wiederholt die Güte hattet, Euch den Freund dieser Person zu nennen, so glaubt sie Euch für diese Freundschaft durch einen guten Rat danken zu müssen.
Zweimal wäret Ihr beinahe das Opfer einer nahen Verwandten geworden, die Ihr für Eure Erbin haltet, weil Ihr nicht wißt, daß sie, ehe sie in England eine Ehe eingegangen ist, sich bereits in Frankreich verheiratet hatte; aber das drittemal, daß Euch jetzt bevorsteht, könntet Ihr unterliegen. Eure Verwandte ist von La Rochelle nach England abgereist. Überwacht ihre Ankunft, denn sie hat große, furchtbare Pläne. Wenn Ihr durchaus wissen wollt, wessen sie fähig ist, so lest ihre Vergangenheit auf ihrer linken Schulter.«
»Das ist vortrefflich«, rief Athos. »Ihr habt die Feder eines Staatssekretärs, mein lieber Aramis, Lord Winter wird wohl auf 147
seiner Hut sein, wenn der Rat überhaupt zu ihm gelangt.«
»Aber, Messieurs, bei all dem vergessen wir die Königin.
Sorgen wir auch für die Gesundheit ihres lieben Buckingham; das sind wir ihr doch zumindest schuldig.«
»Ganz richtig«, sagte Athos, »doch das geht Aramis an.«
»Wohl«, sagte dieser errötend, »was soll ich tun?«
»Ganz einfach«, antwortete Athos, »einen zweiten Brief an die gewandte Person schreiben, die in Tours wohnt.«
Aramis nahm die Feder wieder auf, dachte abermals einen Augenblick nach und schrieb folgende Zeilen:
»Meine liebe Base« –
»Aha!« sagte Athos, »diese geschickte Person ist also mit Euch verwandt?« – »Ein Geschwisterkind«, erklärte Aramis. –
»Meinetwegen also. Weiter!« – Aramis fuhr fort: »Seine Eminenz, der Kardinal, den Gott zum Wohle Frankreichs und zur Schmach der Feinde des Reiches erhalten möge, ist auf dem Punkt, den ketzerischen Rebellen von La Rochelle den Garaus zu machen; es ist wahrscheinlich, daß die Hilfe der englischen Hotte nicht einmal vor der Festung ankommen wird; ich möchte fast sagen, daß Buckingham durch ein großes Ereignis verhindert sein wird, abzureisen. Seine Eminenz ist der erhabenste Politiker der Vergangenheit, der Gegenwart und wahrscheinlich auch der Zukunft. Er würde die Sonne auslöschen, wenn sie ihn störte. Teilt diese glücklichen Nachrichten Eurer Schwester mit, meine liebe Base. Ich träumte, der verdammte Engländer wäre tot. Ich weiß nicht mehr, ob durch Eisen oder durch Gift, nur dessen bin ich gewiß, daß er tot war, und Ihr wißt, meine Träume täuschen mich nie. Haltet Euch also versichert, mich bald zurückkommen zu
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