Die drei Musketiere 2
sehen.«
»Vortrefflich«, rief Athos, »Ihr seid der König der Dichter, Ihr sprecht wie die Apokalypse und seid wahr wie das Evangelium. Es braucht jetzt nur noch die Adresse auf den Brief gesetzt zu werden.«
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»Das ist sehr leicht«, sagte Aramis.
Er legte den Brief zierlich zusammen und schrieb:
»An Mademoiselle Michon, Weißnäherin in Tours.«
Die drei Freunde schauten sich lachend an.
Es wurde beschlossen, daß Planchet am anderen Morgen um acht Uhr nach England abreisen sollte, damit er während der Nacht den Brief auswendig lernen könnte. Dadurch gewann er gerade zwölf Stunden. Er mußte am sechzehnten Tag um acht Uhr abends zurückgekommen sein. Als er am andern Morgen aufs Pferd steigen wollte, nahm d’Artagnan Planchet beiseite und sagte: »Höre, wenn du Lord Winter den Brief zugestellt und er ihn gelesen hat, so sagst du ihm noch weiter: ›Wacht über Seine Herrlichkeit Lord Buckingham, denn man will ihn ermorden!‹ Siehst du, Planchet, das ist aber so ernst und so wichtig, daß ich es nicht einmal meinen Freunden gestehen wollte; ich vertraue nur dir dieses Geheimnis an, und ich möchte es nicht für eine Kapitänstelle niederschreiben.«
»Seid unbesorgt, Monsieur, Ihr werdet sehen, daß man auf mich zählen kann.«
Und auf einem vortrefflichen Pferd, von dem er sich zwanzig Meilen von da trennen sollte, um die Post zu nehmen, ritt Planchet im Galopp von dannen.
Bazin reiste am andern Tag nach Tours ab. Nach acht Tagen sollte er zurück sein.
In den nächsten Tagen verbrachten unsere Freunde ihre Zeit damit, daß sie zu erfahren suchten, was man sich erzählte, daß sie die Schritte des Kardinals beobachteten und die ankommenden Kuriere ausspähten. Am Morgen des achten Tages trat Bazin frisch, wie immer, und lächelnd, wie gewöhnlich, in die Schenke zum Parpaillot ein, wo die vier Freunde gerade beim Frühstück saßen, und sagte, wie dies verabredet war: »Monsieur Aramis, hier ist die Antwort Eurer Base.«
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Die vier Freunde tauschten einen freudigen Blick aus, die Aufgabe war zur Hälfte, allerdings zur kleineren Hälfte, erfüllt.
Aramis nahm, unwillkürlich errötend, den Brief, der plump und unorthographisch geschrieben war.
»Guter Gott«, rief er lachend, »es ist zum Verzweifeln, nie wird die arme Michon wie Monsieur de Voiture schreiben.«
Athos warf einen Blick auf das Papier und las, um jeden Verdacht, der entstehen hätte können, im Keim zu ersticken, ganz laut:
»Mein Vetter, meine Schwester und ich, wir erraten die Träume sehr gut, und wir haben eine furchtbare Angst davor, aber von Eurem wird man hoffentlich sagen können: Träume sind nur Schäume. Adieu! Bleibt gesund und macht, daß wir von Zeit zu Zeit etwas von Euch hören.
Marie Michon.«
»Von welchem Traum spricht sie?« fragte der Dragoner, der während des Lesens näher getreten war.
»Ja, von welchem Traum?« wiederholte der Schweizer.
»Ei«, erwiderte Aramis, »ganz einfach, von einem Traum, den ich gehabt und ihr erzählt habe.«
»Ja, ja, das ist allerdings ganz einfach, den Traum zu erzählen, den man gehabt hat. Ich träume aber nie.«
»Da seid Ihr sehr glücklich«, sagte Athos, indem er sich erhob, »und ich wollte, ich könnte das gleiche von mir sagen.«
»Nie!« wiederholte der Schweizer, entzückt darüber, von einem Mann wie Athos um etwas bene idet zu werden, »nie!
Nie!«
Als d’Artagnan sah, daß Athos sich erhob, tat er desgleichen, nahm ihn beim Arm und entfernte sich mit ihm.
Porthos und Aramis blieben, um dem Dragoner und dem Schweizer auf ihre Späße zu antworten.
Was Bazin betrifft, so legte er sich auf einen Bund Stroh, und 150
da er mehr Einbildungskraft besaß als der Schweizer, so träumte er, Aramis wäre Papst geworden und setzte ihm den
Kardinalshut aufs Haupt.
Die glückliche Rückkehr Bazins aber hatte, wie wir schon angedeutet haben, nur eine n Teil der Unruhe verscheucht, von der die vier Freunde befallen waren. Die Tage des Wartens sind lang, und d’Artagnan namentlich hätte darauf gewettet, daß sie nunmehr achtundvierzig Stunden zählten. Er dachte nicht an die notgedrungene Langsamkeit der Schiffahrt und machte sich übertriebene Vorstellungen von Myladys Macht. Er schrieb diesem Weib, das ihm einem Dämon gleich erschien,
übernatürliche Kräfte zu, beim kleinsten Geräusch bildete er sich ein, man komme, um ihn zu verhaften, und bringe Planchet herbei, um diesen ihm und seinen Freunden gegenüberzustellen.
Noch mehr, sein sonst so
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