Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
wird diese kleine Person den ersten Platz im Herzen des Königs einnehmen, und wir haben einen großen Fehler gemacht, Herr Fouquet!« – »Sie meinen den Liebesbrief, den ich an die Lavallière geschrieben habe?« antwortete der Minister. »Ich dachte auch daran«– »Sie müssen ihn um jeden Preis zurückholen,« sagte d'Herblay.– Fouquet nickte. Er war zu lange Zeit an den Intrigen des Hofes beteiligt gewesen, um die Gefahr geringzuschätzen, in die ihn ein indiskreter Gebrauch dieses Briefes, seit der König um die Liebe der Lavallière warb, stürzen konnte. Sobald die Gesellschaft in den Palast zurückgekehrt war, suchte Fouquet daher um eine Unterredung mit Fräulein von Lavallière nach und wurde von ihr mit jener Unbeholfenheit empfangen, die sie als Provinzdame noch nicht völlig abgelegt hatte. Sie war noch zu sehr Neuling im Hofleben, und der plötzliche Glanz der königlichen Gunst verwirrte sie vollends. Fouquet wußte als durchgebildeter Menschenkenner und vollendeter Kavalier den rechten Ton zu treffen, stellte sehr geschickt seine Fragen und erfuhr auf diese Weise, ohne sich selbst eine Blöße zu geben, daß die Lavallière den von ihm geschriebenen Brief gar nicht erhalten hatte. Das war zunächst beruhigend für ihn, aber die Frage, wohin der Brief geraten sei, drängte sich doch dazwischen und stimmte den Minister sehr bedenklich. Nach Hause gekommen, teilte er Aramis das Ergebnis der Unterredung mit. D'Herblay machte ein saures Gesicht und mochte nicht recht an die Ehrlichkeit der Lavallière glauben. Man ließ den Diener kommen, dem der Brief zur Bestellung übergeben worden war. Der Diener, ein Mann mit schlau blinzelnden Augen, dünnen Lippen und gekrümmtem Rücken, beteuerte, den Brief, wie ihm befohlen, im Zimmer der Lavallière an einer bestimmten Stelle niedergelegt zu haben, und erklärte, es wäre nur die eine Möglichkeit vorhanden, daß das Fräulein ihn bis jetzt dort noch nicht gefunden hätte. Er machte sich anheischig, ihn zurückzubringen, und Fouquet, der festan die Treue des Alten glaubte, schickte ihn fort. Man wollte ja auch jedes Aufsehen vermeiden und der ganzen Angelegenheit nach außen hin keine große Wichtigkeit beilegen. Fouquet und Aramis warteten, aber der Diener kam nicht wieder. Als sie nach ihm forschten, stellte es sich heraus, daß er entflohen war.
»Nun denn, das Unglück ist geschehen,« sagte Aramis, »warten wir ab, was daraus wird. Wir haben immer noch Mittel genug, uns zu verteidigen. Das Fatalste ist, der Brief war nicht datiert.« – »Vor allen Dingen müssen wir den verräterischen Diener wiederfinden,« sagte Fouquet. – »O, den werden Sie nicht wiederfinden,« antwortete der Bischof. »Wenn er Ihnen wert war, so legen Sie nur Trauer um ihn an.«
7. Kapitel. Die neue Gottheit des Hofes
Anna von Oesterreich war seit einigen Tagen leidend und sank vom Höhepunkt ihrer Schönheit herab mit jener Schnelligkeit, mit der bei allen Frauen, die ein stürmisches Leben hinter sich haben, die weiblichen Reize verblassen. Die bedenklichen Aeußerungen des Arztes waren ihr weit weniger schmerzlich als die unerbittliche Kälte der Höflinge, die sich von ihr zurückzuziehen begannen, gleich den Ratten, die das im Sturme leck gewordene Schiff verlassen. Auch der König vernachlässigte sie jetzt; früher war er alle Morgen eine volle Stunde bei ihr gewesen; dann hatte er sein Bleiben auf eine halbe Stunde beschränkt, und jetzt fing er an, die Besuche allmählich ganz fallen zu lassen. Man sah sich in der Messe oderbei der Prinzessin, in deren Salon seit einiger Zeit die größten Réunions stattfanden. Anna hatte versucht, diese Gesellschaften in ihre Gemächer zu verlegen, aber sie mußte vor der jungen Herzogin die Waffen strecken. Nun machte sie verzweifelte Anstrengungen, sich auf der Höhe zu erhalten, und sie benutzte eine Zeitlang die Königin als Vermittlerin, allein die stets betrübte Gemahlin Ludwigs, die sich verlassen wie eine Witwe fühlte, hatte keine Energie zu einem Kampfe mit den höfischen Intrigen. Die Königin-Mutter mußte auf andere Mittel sinnen. Sie hatte in ihrem Leben viele Ränke gesponnen, zumal in jener Zeit, wo sie eine Freundin hatte, die fast noch ungestümer, noch feuriger war als sie. Diese Freundin war dann verbannt worden, und nun hatte sie sich jahrelang mit Frau von Motteville oder mit der Molena, ihrer spanischen Amme, begnügen müssen. Aber keine von beiden hatte ihr auch nur im entferntesten jene Freundin
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