Die drei Musketiere
mit dem roten Kissen machte, da sie sehr schön war, einen gewaltigen Eindruck auf die Dame mit der schwarzen Haube, die in ihr eine schreckliche Nebenbuhlerin erblickte; sie machte auch großen Eindruck auf Porthos, der sie viel jünger und hübscher fand, als die Dame mit der schwarzen Haube; endlich einen großen Eindruck auf d'Artagnan, der in ihr die Dame von Meung, von Calais und Dower erkannte, die sein Verfolger, der Mann mit der Narbe, als Mylady tituliert hatte. D'Artagnan glaubte zu erraten, die Dame mit der schwarzen Haube sei die Prokuratorsfrau aus der nahegelegenen Gasse Aux-Ours. Infolgedessen erriet er ferner, daß Porthos Rache zu nehmen suche für seine Niederlage in Chantilly, wo sich die Prokuratorsfraurücksichtlich der Börse so hartnäckig bewiesen hatte. Doch mitten unter dem allem bemerkte auch d'Artagnan, daß kein einziges Gesicht die Artigkeiten des Porthos' erwiderte. Es waren bloß Chimären und Illusionen. Die Prokuratorsfrau stand auf, um den Saal zu verlassen, Porthos eilte ihr zuvor und legte die Hand an die Klinke der Tür. Die Prokuratorsfrau lächelte in dem Wahn, Porthos wolle ihr aus Artigkeit die Tür öffnen, allein sie wurde schnell und hart enttäuscht. Als sie nur noch drei Schritte von ihm entfernt war, wandte er den Kopf und richtete seine Augen unverrückt auf die Dame mit dem roten Kissen, die sich gleichfalls erhoben hatte, und von ihrem Neger und der Kammerfrau gefolgt, herbeikam. Als nun die Dame mit dem roten Kissen nahe bei Porthos war, öffnete dieser zuvorkommend die Tür und bahnte ihr den Weg. Das war zuviel für die Prokuratorsfrau; sie zweifelte nicht mehr daran, daß zwischen dieser Dame und Porthos ein Liebesverhältnis bestehe. Wäre sie eine große Dame gewesen, würde sie wohl in Ohnmacht gefallen sein; da sie aber nichts als eine Prokuratorsfrau war, sprach sie zu Porthos bloß mit verhaltener Wut:
»Hm, Herr Porthos, mir wissen Sie keine Artigkeit zu erzeigen?« Porthos gebärdete sich bei dem Tone dieser Stimme ungefähr wie ein Mensch, der nach einem Schlaf von hundert Jahren plötzlich aufwachen würde.
»Mad––Madame!« stammelte er, »sind Sie es wirklich? Wie befindet sich Ihr Herr Gemahl, der liebe Herr Coquenard? Ist er noch immer so karg wie früher? Wo hatte ich doch die Augen, daß ich Sie während dieser zwei Stunden gar nicht bemerkt habe?«
»Ich war nur zwei Schritte von Ihnen entfernt, mein Herr,« entgegnete die Prokuratorsfrau, »allein Sie gewahrten mich nicht, denn Sie hatten nur Augen für die schöne Dame, der Sie sich eben so artig bewiesen.« Porthos stellte sich, als sei er verlegen, dann sagte er:
»Ah, Sie haben bemerkt– ?«
»Man hätte blind sein müssen, um das nicht zu bemerken.«
»Ja,« versetzte Porthos nachlässig, »es ist eine Herzogin, mit mir befreundet; ich kann wegen der Eifersucht ihres Gemahls nur höchst schwierig mit ihr zusammenkommen, und sie gab mir heute einen Wink, sie würde bloß aus der Ursache, mich zu sehen, hierherkommen.«
»Herr Porthos,« sagte die Prokuratorsfrau, »würden Sie wohl so gütig sein, mir nur auf fünf Minuten den Arm zu bieten, da ich gern mit Ihnen sprechen möchte?«
»Wie, Madame?« rief Porthos, mit den Augen sich selber zublinkend, wie ein Spieler, der über den lächelt, den er betört. Nachdem sich die Prokuratorsfrau überzeugt hatte, daß sie von niemandem gesehen oder gehört werde, sagte sie:
»Ah, mein Herr Porthos, Sie sind, wie es den Anschein hat, ein mächtiger Sieger.«
»Ich, Madame!« rief Porthos, sich in die Brust werfend; »und warum das?«
»Nun, die Winke und dann die Artigkeit? Diese Dame mitihrem Neger und ihrer Kammerjungfer ist mindestens eine Prinzessin.«
»Sie irren,« antwortete Porthos, »mein Gott, nein, sie ist ganz einfach eine Herzogin.«
»Und der Läufer, der an der Tür wartete? und der Wagen mit dem Kutscher in der großen Livree?« Porthos sah weder den Läufer noch den Wagen, allein Madame Coquenard hatte mit dem Blick einer eifersüchtigen Frau alles das gesehen. Porthos bedauerte, daß er die Dame mit dem roten Kissen nicht auf den ersten Schlag zu einer Prinzessin erhoben hatte. »O, Sie sind das Lieblingskind der Schönen, Herr Porthos!« entgegnete seufzend die Prokuratorsfrau.
»Nun,« antwortete Porthos, »Sie können wohl denken, daß es mir bei einer Gestalt, wie sie mir die Natur verlieh, an Glück nicht fehlen kann.«
»Mein Gott, wie schnell vergessen doch die Männer!« rief die Prokuratorsfrau, und
Weitere Kostenlose Bücher