Die drei Musketiere
verwickelt ist; ich weiß zwar nicht warum, doch bilde ich mir ein, daß diese Frau, wiewohl wir einander nicht kennen, einen großen Einfluß auf mein Leben nimmt. Höret, Athos,« versetzte d'Artagnan, »statt, daß Ihr Euch hier wie in einem Gefängnis einschließt, steigt zu Pferd, und reitet mit mir nach Saint-Germain.«
»Mein Lieber,« antwortete Athos, »ich reite meine Pferde, wenn ich welche habe, doch habe ich keine, so gehe ich zu Fuß.«
»Nun wohl,« versetzte d'Artagnan, »ich bin minder stolz als Ihr, denn ich reite, was ich finde. Also auf Wiedersehen, lieber Athos.« D'Artagnan und Planchet schwangen sich in den Sattel und ritten fort auf der Straße von Saint-Germain.
Indem nun d'Artagnan seinem Pferde von Zeit zu Zeit die Sporen gab, legte er seinen Weg schnell zurück und kam nach Saint-Germain. Auf einmal sah er im Erdgeschoß eines hübschen Hauses, das nach damaligem Gebrauch kein Fenster nach der Straßenseite hatte, ein Gesicht, das ihm bekannt war. Dieses Gesicht wandelte auf einer Art Terrasse herum, die von schönen Blumen prangte. Planchet hatte es zuerst erkannt. »He doch, mein Herr,« sprach er zu d'Artagnan gewendet, »erinnern Sie sich nicht mehr an das Gesicht, das uns dort angafft?«
»Nein,« entgegnete d'Artagnan, »und doch ist es mir bewußt, daß ich diesen Menschen nicht zum erstenmal sehe.«
»O, das will ich glauben,« sagte Planchet, »das ist der arme Lubin, der Lakai des Grafen von Wardes, den Sie vor einem Monat inCalais auf dem Wege nach dem Landhaus des Gouverneurs so übel hergenommen haben.«
»Ach ja, so ist es auch,« versetzte d'Artagnan. »jetzt erkenne ich ihn wieder. Glaubst du wohl, daß er auch dich kennt?«
»Meiner Treu, mein Herr, er war so verwirrt, daß ich nicht glauben kann, er habe mich im Gedächtnis behalten.«
»Nun geh und sprich mit dem Burschen,« sagte d'Artagnan, »und forsche nach, ob sein Herr tot geblieben ist.« Planchet stieg vom Pferde, ging gerade auf Lubin los, der ihn wirtlich nicht mehr kannte, und die zwei Bedienten fingen in bester Eintracht ein Gespräch an, während d'Artagnan, hinter einem Gebüsch verborgen, das Gespräch belauschte. Nach einem Augenblick des Horchens vernahm er das Rollen eines Wagens, und die Karosse der Mylady hielt ihm gegenüber still. Er konnte sich nicht irren. Mylady saß darin. D'Artagnan neigte sich auf den Hals seines Pferdes, um alles zu sehen, ohne bemerkt zu werden. Mylady steckte ihren reizenden Blondkopf aus dem Kutschenschlag und erteilte ihrer Kammerjungfer Aufträge. Diese letztere, ein hübsches Mädchen von zwanzig bis zweiundzwanzig Jahren, munter und lebhaft, die wahre Zofe einer vornehmen Dame, sprang vom Fußtritt herab, auf dem sie nach damaliger Sitte saß, und nahm ihren Weg nach der Terrasse, wo d'Artagnan Lubin gesehen hatte. D'Artagnan folgte der Kammerjungfer dahin mit den Augen. Da wurde Lubin zufällig durch einen Befehl aus dem Zimmer des Hauses abgerufen, und Planchet, der nach allen Seiten hinblickte, um nach seinem Herrn zu forschen, befand sich allein. Die Kammerjungfer trat zu Planchet, den sie für Lubin hielt, gab ihm ein Briefchen und sagte:
»Für Euren Herrn.«
»Für meinen Herrn?« erwiderte Planchet erstaunt.
»Ja, nehmt schnell, es hat große Eile.« Sodann kehrte sie zurück zum Wagen, der sich wieder nach der Seite wandte, woher er gekommen war; sie sprang auf den Fußtritt und die Karosse rollte von hinnen. Planchet eilte nach dem Gäßchen und fand nach zwanzig Schritten seinen Herrn, der alles gesehen hatte, und ihm schon entgegenschritt.
»Für Sie, mein Herr,« rief Planchet und reichte dem jungen Mann das Briefchen.
»Für mich?« fragte d'Artagnan; »bist du dessen versichert?«
»Bei Gott! ich bin dessen versichert, denn die Zofe hat gesagt: ›Für deinen Herrn‹. Ich habe keinen andern Herrn als Sie, nun?... Diese Zofe, meiner Treu! ist ein hübscher Bissen von einem Mädchen.« D'Artagnan entfaltete den Brief und las die folgenden Worte:
»Eine Person, die Ihnen mehr Teilnahme widmet, als sie sagen darf, möchte wissen, an welchem Tage Sie im Walde spazieren zu gehen im stande sind; morgen wartet ein schwarz und rot gekleideter Bedienter im Hotel ›Zum goldenen Feld‹ auf Ihre Antwort.«
»Oh, oh!« sprach d'Artagnan bei sich selbst, »das ist ein bißchen lebhaft. Es scheint, daß ich und Mylady an demselben Übel leiden. Nun,Planchet, sag' an, wie geht es dem Herrn von Wardes? Er ist also nicht tot?«
»Nein, mein Herr, es
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