Die drei Musketiere
erhob die Augen zum Himmel.
»Mir dünkt, weniger schnell als die Frauen,« entgegnete Porthos, »denn ich kann wohl sagen, Madame, daß ich Ihr Opfer war, als ich mich verwundet, sterbend und selbst von den Ärzten verlassen sah. Ich, der Sprosse einer vornehmen Familie, der ich mich auf Ihre Freundschaft verließ, wäre in einer elenden Herberge in Chantilly anfangs beinahe an meinen Wunden und dann vor Hunger gestorben, und zwar ohne daß Sie mich nur einer Antwort würdigten auf die glühenden Briefe, die ich an Sie geschrieben habe.«
»Allein, Herr Porthos!–« murmelte die Prokuratorsfrau, indem sie wohl fühlte, daß sie unrecht hatte, wenn sie das Benehmen der vornehmen Damen in jener Zeit in Erwägung zog.
»Ich, der ich die Gräfin Pennaflor für Sie geopfert habe!«
»Das weiß ich wohl.«
»Die Baronin von–«
»Herr Porthos, martern Sie mich nicht!«
»Die Gräfin von–«
»Herr Porthos, seien Sie doch großmütig.«
»Sie haben recht, Madame, ich will nicht weiter sprechen.«
»Da ist aber mein Mann schuld, der vom Borgen nichts hören will.«
»Madame Coquenard,« sagte Porthos, »erinnern Sie sich an den ersten Brief, den Sie mir geschrieben haben, und der ein bißchen tief in mein Herz eingedrungen ist.« Die Prokuratorsfrau vergoß eine Träne und sagte:
»Herr Porthos, ich schwöre Ihnen, Sie haben mich schwer gestraft, und wenn Sie sich künftig wieder in einer ähnlichen Bedrängnis befinden, so haben Sie sich nur an mich zu wenden.«
»Nicht doch, Madame!« rief Porthos wie empört, »ich bitte Sie, reden wir nicht von Geld, das ist demütigend.«
»Sie lieben mich also nicht mehr?« fragte die Prokuratorsfrau gedehnt und traurig. Porthos beobachtete ein majestätisches Stillschweigen. »Geben Sie mir eine solche Antwort? O, ich begreife.«
»Gedenken Sie der Beleidigung, die Sie mir zugefügt haben, Madame; sie hat sich hier festgesetzt,« sagte Porthos und drückte die Hand aufs Herz.
»Hören Sie, lieber Porthos, ich will sie wieder gutmachen.«
»Was mache ich auchübrigens für Ansprüche!« entgegnete Porthos, mit Gutmütigkeit die Achseln zuckend, »ein Anlehen, weiter nichts. Bei alledem bin ich nicht unvernünftig; ich weiß, daß Sie nicht reich sind, Madame Coquenard, und daß Ihr Gemahl die armen Prozeßführer schröpfen muß, um ihnen einige Taler abzuzapfen. Ja, wären Sie eine Gräfin, eine Marquise oder eine Herzogin, so würden sich die Dinge ganz anders machen, und Sie verdienten keine Nachsicht.« Die Prokuratorsfrau war gereizt und sagte:
»Wissen Sie, Porthos, daß meine Börse, ob auch die Börse einer Prokuratorsfrau, doch vielleicht besser gestellt ist, als die Kasse all ihrer zu Grunde gerichteten Zierpuppen.«
»Sie haben mir da eine doppelte Beleidigung zugefügt,« sprach Porthos und ließ den Arm der Prokuratorsfrau aus dem seinigen gleiten; »denn wenn Sie reich sind, Madame Coquenard, so verdient Ihre Weigerung keine Entschuldigung.« Die Prokuratorsfrau, die fühlte, daß sie sich zu weit fortreißen ließ, entgegnete:
»Wenn ich sage reich, so muß man das nicht buchstäblich nehmen. Ich bin nicht geradezu reich, sondern nur wohlhabend.«
»Nun, Madame,« versetzte Porthos, »ich bitte Sie, sprechen wir nichts mehr über diese Sache; Sie haben mich verkannt, alle Sympathie ist zwischen uns erloschen.«
»Ha, wie undankbar Sie sind!«
»Sie haben wohl recht, sich zu beklagen,« sagte Porthos.
»Gehen Sie nun mit Ihrer Herzogin, ich halte Sie nicht mehr ab.«
»Ah, sie ist doch nicht gar so böse, als ich dachte!«
»Hören Sie, Herr Porthos, und zum letztenmal, lieben Sie mich noch?«
»Ach, Madame!« seufzte Porthos mit seinem schwermütigsten Tone, »wenn wir ins Feld ziehen, in einen Krieg, wo ich meinen Ahnungen gemäß getötet werde–«
»O, reden Sie nicht von solchen Dingen,« sagte die Prokuratorsfrau unter Weinen und Schluchzen.
»Ein Etwas verkündet mir das,« fuhr Porthos noch schwermütiger fort.
»Sagen Sie lieber, daß Sie eine neue Liebe anknüpften.«
»Nein, ich rede frei mit Ihnen. Es ist kein neuer Gegenstand, der mich rührt, und ich empfinde sogar hier im Grunde meines Herzens etwas, das für Sie spricht. Allein in vierzehn Tagen, wie Sie wissen, oder auch nicht wissen, eröffnet sich dieser verhängnisvolle Feldzug, und ich bin mit meiner Equipierung auf eine peinliche Weise beschäftigt. Dann will ich auch eine Reise zu meiner Familie machen, die weit entfernt in der Bretagne wohnt, um das nötige Geld
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