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Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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und d'Artagnan von heute sind ein und dieselbe Person.« Der Unbesonnene erwartete eine Verwunderung, gemengt mit Beschämung, einen Sturm, der sich in Tränen auflösen würde; doch irrte er gewaltig, und sein Irrtum dauerte nicht lange. Mylady richtete sich auf, blaß und schrecklich, und wollte d'Artagnan durch einen heftigen Stoß gegen die Brust zurückdrängen und sich entfernen. D'Artagnan hielt sie am Kleide zurück, um Verzeihung zu flehen, sie suchte aber mit einer raschen und entschlossenen Bewegung die Flucht zu ergreifen. Da zerriß oben das Kleid am Leibe und d'Artagnan erblickte auf einer ihrer schönen Schultern, die sich entblößte, mit unsäglichem Erschrecken die Lilie, das unvertilgbare Mal von der Hand des Henkers, eingedrückt. »Großer Gott!« rief er, ließ das Kleid aus den Händen gleiten und verharrte stumm am Platz, unbeweglich, zu Eis erstarrt. Mylady fühlte sich aber eben durch d'Artagnans Schrecken verraten. Er hatte zweifelsohne alles gesehen, der junge Mann wußte jetzt ihr Geheimnis, ein schreckliches Geheimnis, das bisher der ganzen Welt verborgen war. Sie wandte sich um und war nicht mehr das rasende Weib, sondern ein verwundetes Panthertier. »Ha, Elender!« rief sie, »du hast mich feige verraten, und noch mehr, du weißt nun mein Geheimnis und mußt sterben!« Sie eilte zu einem kleinen Kistchen von eingelegter Arbeit, das auf ihrem Putztisch stand, schloß es mit fieberhaft bebenden Händen auf, nahm einen kleinen Dolch mit goldenem Griff und dünner, scharfer Klinge hervor und stand wieder mit einem Satz vor d'Artagnan, der auf seinem Sitze geblieben war. Wiewohl der junge Mann viel Mut besaß, so erschrak er doch vor diesem verwüsteten Antlitz, diesen hervorragenden Augen, diesen blassen Wangen, diesen geröteten Lippen; er stand auf und trat zurück, wie er es vor einer Schlange getan hatte, die auf ihn zugekrochen wäre, fuhr mit seiner schweißfeuchten Rechten instinktartig an den Degen und zog ihn aus der Scheide. Ohne daß sich aber Mylady beim Anblick der blitzenden Klinge fürchtete, rückte sie vor, um ihm einen Stoß zu versetzen, und hielt erst dann inne, als sie seine Klingenspitze auf ihrer Brust fühlte. Sie suchte nun denDegen mit ihren Händen zu erfassen, allein d'Artagnan entzog ihn unablässig ihren Griffen, streckte ihr denselben, ohne zu stoßen, bald gegen die Brust, bald gegen die Augen hin, und wich stets mehr und mehr zurück, um die Tür zu gewinnen, die zu Ketty führte, und durch dieselbe zu verschwinden. Mittlerweile drang Mylady mit furchtbarem Ungestüm und einem wahrhaften Löwengebrüll auf ihn ein. Da aber das zuletzt wie ein Duell aussah, so gewann d'Artagnan allmählich mehr Ruhe, und sprach zu ihr: »Genug, schöne Dame, genug! aber ich bitte Sie um Gottes willen, sich zu besänftigen, oder ich will auf Ihre andere Schulter eine zweite Lilie zeichnen.«
    »Verwünschter! Nichtswürdiger!« heulte Mylady. D'Artagnan aber suchte fortwährend die Tür, und war nur auf seine Verteidigung bedacht! Auf den Lärm, den sie durch das Umwerfen der Möbel verursachten, sie, um ihn zu erreichen, er, um sich vor ihr hinter den Geräten zu schützen, machte Ketty die Tür auf. D'Artagnan, der fortwährend manövrierte, um sich der Tür zu nähern, war von derselben nur noch drei Schritte entfernt. Er sprang mit einem Satz aus dem Zimmer der Mylady in das der Zofe und verschloß mit Blitzesschnelle die Tür wieder, gegen die er sich mit ganzer Gewalt stemmte, indes Ketty den Riegel vorschob. Hierauf bemühte sich Mylady, den Stützpfeiler umzustürzen, der sie in ihr Zimmer einschloß, und zwar mit Kräften, die weit über die einer Frau gingen. Da sie fühlte, dies wäre unmöglich, so durchbohrte sie die Tür mit Dolchstößen, von denen einige ganz durchdrangen. Auch begleitete sie jeden Stoß mit einer entsetzlichen Verwünschung. »Schnell, Ketty, schnell!« rief d'Artagnan, »mach, daß ich aus diesem Hause komme; wenn wir ihr nur Zeit lassen, sich umzuwenden, läßt sie mich durch ihre Bedienten umbringen. Laß uns eilen, hörst du, denn davon hängt Leben und Tod ab.« Ketty verstand ihn nur zu wohl und führte ihn im Finstern die Treppe hinab. Es war die höchste Zeit; Mylady hatte schon geschellt und das ganze Haus aufgeweckt; der Portier zog auf Kettys Stimme die Schnur, während Mylady aus dem Fenster rief: »Öffnet nicht!« Der junge Mann entwich, während sie ihn mit einer ohnmächtigen Gebärde bedrohte, und als sie ihn aus ihrem

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