Die drei Musketiere
ihre Fragen wurden noch dringlicher, hierauf wollte d'Artagnan, der nie ernstlich an dieses unmögliche Duell gedacht hatte, dieses Gespräch wenden, doch hatte er nicht dazu die Kraft. Mylady hielt das Gespräch innerhalb der Grenzen, die sie in ihrem unwiderstehlichen Geist und eisernen Willen im voraus ausgezeichnet hatte. Nunmehr glaubte d'Artagnan sehr geistreich zu sein, daß er Mylady riet, sie möchte Wardes verzeihen und ihre wütenden Pläne ausgeben. Doch schon bei den ersten Worten, die er sprach, nahm das Antlitz der jungen Frau einen finsteren Ausdruck an. »Haben Sie etwa Furcht, lieber Herr d'Artagnan?« sprach sie in einem schneidenden, höhnischen Tone, der in den Ohren des jungen Mannes seltsam klang.
»Ich denke nicht daran, liebe Seele,« entgegnete d'Artagnan, »allein, wenn dieser arme Graf von Wardes zuletzt doch minder schuldig wäre, als Sie meinen?«
»In jedemFalle«, sprach Mylady ernst, »hat er mich betrogen, und von dem Moment an, wo er mich betrogen hat, verdient er den Tod.«
»Er wird somit sterben, da Sie ihn verurteilen,« entgegnete d'Artagnan in einem so festen Tone, daß er Mylady als der Ausdruck einer Hingebung erschien, die jede Prüfung besteht. Sie lächelte ihm von neuem zu. »Ja, jetzt stehe ich ganz bereit!« rief d'Artagnan voll unwillkürlicher Begeisterung; »doch vorher möchte ich in einer Sache versichert sein.«
»In welcher?« fragte Mylady. »Daß Sie mich lieben!«
»Dies beweist schon, daß Sie hier sind, glaube ich,« erwiderte sie, Verlegenheit heuchelnd. »Ja, ich gehöre Ihnen mit Leib und Seele. Verfügen Sie über meinen Arm.«
»Dank, mein wackerer Verteidiger! und wie ich Ihnen meine Liebe dadurch beweise, daß ich Sie empfange, so werden Sie auch die Ihrige beweisen, nicht wahr?«
»Allerdings. Doch, wenn Sie mich lieben, wie Sie vorgeben, sind Sie meinetwegen nicht ein bißchen bange?«
»Was soll ich fürchten?«
»Daß ich gefährlich verwundet, ja, sogar getötet werde!«
»Unmöglich!« rief Mylady, »sind Sie doch ein mutvoller Mann, ein gewandter Degen!«
»Sie wollen also nicht lieber ein Mittel zu ihrer Rache, wodurch der Zweikampf unnötig würde?« Mylady blickte den jungen Mann stillschweigend an; ihre leuchtenden Augen hatten einen seltsam düsteren Ausdruck angenommen. »In Wahrheit,« rief sie, »mir dünkt. Sie nehmen abermals Anstand.«
»Nein, ich nehme keinen Anstand, doch tut es mir wirklich leid um den armen Grafen von Wardes, seit Sie ihn nicht mehr lieben, und mich dünkt, ein Mann muß schon durch den Verlust Ihrer Liebe so hart bestraft sein, daß es keiner andern Strafe mehr bedarf.«
»Wer sagt Ihnen, daß ich ihn jemals liebte?« fragte Mylady. »Ich kann es jetzt wenigstens ohne Ungereimtheit glauben, daß Sie einen andern liebten,« versetzte der junge Mann mit Artigkeit, »und ich wiederhole Ihnen, daß ich mich für den Grafen interessiere.«
»Sie?« fragte Mylady. »Ja, ich.«
»Und warum?«
»Weil ich allein weiß...«
»Was?«
»Weil er gegen Sie lange nicht so schuldig ist, oder war, wie es den Anschein hat.«
»Wirklich?« versetzte Mylady mit Unruhe, »erklären Sie sich, denn ich weiß in der Tat nicht, was Sie damit sagen wollen.« Hier blickte sie d'Artagnan mit Augen an, in denen allmählich ein düsteres Feuer brannte. »Ja, ich bin ein Mann von Wort,« sagte d'Artagnan, fest entschlossen, die Sache zu beenden, »und seit Sie mir Ihre Liebe gestanden haben, bin ich Ihres Besitzes versichert; nicht wahr, ich besitze Sie?«
»Ganz und gar. Fahren Sie fort.«
»Seitdem fühle ich mich umgewandelt. Ein Geständnis drückt mich.«
»Ein Geständnis?«
»Hätte ich an Ihrer Liebe gezweifelt, würde ich es nicht ablegen, aber nicht wahr, Sie lieben mich?«
»Gewiß.«
»Wenn ich mich nun aus übermäßiger Liebe gegen Sie versündigt hätte,würden Sie mir wohl verzeihen?«
»Vielleicht. Doch das Geständnis,« rief sie erblassend, »was ist es?«
»Nicht wahr, Sie haben am verflossenen Donnerstag dem Grafen von Wardes in diesem Zimmer ein Stelldichein gegeben?«
»Ich, nein! es ist nicht so,« entgegnete die Mylady mit so fester Stimme und solcher Ruhe im Antlitz, dass d'Artagnan daran gezweifelt hätte, wäre er der Sache nicht vollkommen gewiß gewesen. »O, lügen Sie nicht, schöner Engel, es wäre fruchtlos,« sagte d'Artagnan, ein Lächeln erkünstelnd. »Wie das? reden Sie doch, Sie martern mich zu Tode.«
»Dieser Ring ist in meinen Händen, der Graf von Wardes vom Donnerstag
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