Die drei Musketiere
ging fort, doch drückte es ihm an der Tür fast das Herz ab und es fehlte wenig, daß er umgekehrt wäre. Allein es begegnete ihm das strenge, ernste Gesicht des Athos. Würde er auf den angebotenen Vorschlag des Kardinals eingehen, so reichte ihm Athos keine Hand mehr und würde ihn verleugnen. Diese Besorgnis hielt ihn ab; einen so gewaltigen Einfluß weiß ein wahrhaft großartiger Charakter auf seine ganze Umgebung auszuüben. D'Artagnan ging über dieselbe Treppe, auf der er hinaufgestiegen war; er traf vor dem Tor Athos und die vier Musketiere, die auf seine Rückkehr warteten und schon anfingen, unruhig zu werden. D'Artagnan beschwichtigte sie, und Planchet lief umher, den andern zu melden, daß es unnötig wäre, länger Wache zu stehen, denn sein Herr habe das Palais-Cardinal wohlbehalten verlassen. Als Aramis und Porthos zu Athos zurückkamen, fragten sie nach der Ursache dieser seltsamen Bestellung; allein d'Artagnan sagte ihnen bloß, der Kardinal habe ihn berufen, um ihm den Eintritt bei seiner Leibwache mit dem Rang eines Fähnrichs anzubieten, doch habe er diesen Antrag abgelehnt. »Sie haben recht getan!« riefen Aramis und Porthos einstimmig. Athos versank in tiefes Nachdenken und sagte nichts. Doch als er wieder mit d'Artagnan allein war, sprach er zu ihm: »Sie haben getan, was Sie tun mußten, allein Sie haben vielleicht unrecht getan.«
Des Nachts kamen alle Kameraden der Garden von der Kompagnie des Herrn des Essarts und von der Kompagnie des Herrn von Tréville zusammen, wie sie miteinander befreundet waren. Man trennte sich, um sich wiederzusehen, wenn und wann es Gott gefallen würde. Diese Nacht war also, wie es sich erachten läßt, ungemein lärmend, denn bei einem solchen Falle läßt sich die größte Unruhe nur durch die größte Gleichgültigkeit bekämpfen. Des Morgens schieden die Freunde beim ersten Trompetenschall voneinander; die Musketiere eilten nach dem Hotel des Herrn von Tréville; die Garden nach dem des Herrn des Essarts. Jeder Kapitän führte seine Kompagnie alsogleich nach dem Louvre, wo der König über sie Musterung hielt. Der König war niedergeschlagen und schien krank, was sein gutes Aussehen beeinträchtigte. Wirklich hatte ihn tags zuvor, als er zu Gericht faß, das Fieber befallen. Nichtsdestoweniger war er entschlossen, an demselben Tag abzureisen, und wollte, ungeachtet aller Vorstellungen, die Musterung halten, in der Hoffnung, die Krankheit, die ihn ergriff, durch dieses erste, kräftige Entgegenstreben zu bewältigen. Als die Musterung vorüber war, zogen die Gardenallein ab, da die Musketiere erst mit dem König abgehen sollten, wonach Porthos noch mit seiner herrlichen Equipierung einen Ritt durch die Gasse Aux-Ours machen konnte. Aramis schrieb einen langen Brief. An wen? das wußte niemand.
Die Belagerung von La Rochelle
Die Belagerung von La Rochelle war eines der wichtigsten Ereignisse während der Regierung Ludwigs XIII. Die politischen Absichten des Kardinals hinsichtlich dieser Belagerung waren bedeutsam. Von den beträchtlichen Städten, die Heinrich IV. den Hugenotten als Sicherheitsplätze einräumte, war nur noch La Rochelle übrig. Der Kardinal wollte dieses letzte Bollwerk des Kalvinismus vernichten. La Rochelle, das durch den Fall der andern kalvinistischen Städte eine neue Wichtigkeit erlangt hatte, war übrigens auch der letzte Hafen, der für die Engländer in Frankreich noch übrig war; und verschloß er denselben für England, den ewigen Feind Frankreichs, so krönte er das Werk der Johanna d'Arc und des Herzogs von Guise. Bassompierre, der zugleich Protestant und Katholik war, ein Deutscher von Geburt, ein Franzose der Gesinnung nach, und der als Kommandeur vom Heiligen Geiste bei der Belagerung von La Rochelle ein besonderes Amt bekleidete, hat auch gesagt, als er an der Spitze mehrerer protestantischer Herren die Waffen schwang: »Sie werden sehen, meine Herren, daß wir dumm genug sind, La Rochelle zu nehmen.« Und Bassompierre hatte recht. Die Beschießung der Insel Ré weissagte ihm die Auftritte in den Cevennen, und die Einnahme von La Rochelle war das Vorspiel zum Edikt von Nantes. Richelieu wußte, wenn er England bekriegte, so triumphierte er über Buckingham, und wer England in Europas Augen demütigte, der demütigte auch Buckingham in den Augen der Königin. Indes Buckingham nur die Verfechtung der Ehre Englands zum Vorwand nahm, ließ er sich von Interessen bestimmen, die denen des Kardinals ähnlich waren, da er
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