Die drei Musketiere
wird bei dem ersten Versuch, den Sie wagen sollten, um nach England oder auf den Kontinent zurückzukehren.« Mylady hörte mit einer Spannung zu, die ihre entflammten Augen noch mehr erweiterte. Er ging nach der Tür und machte sie rasch auf. »Man rufe Herrn Felton!« sprach er. »Warten Sie noch ein bißchen, ich will Sie ihm empfehlen.« Es trat auf ein Weilchen zwischen diesen beiden Personen ein seltsames Stillschweigen ein, währenddessen man das Geräusch eines langsamen und regelmäßigen Ganges vernahm, der sich dem Zimmer näherte. Bald darauf bemerkte man im Schatten des Korridors eine menschliche Gestalt, und der junge Leutnant, den wir bereits kennen, erscheint an der Türschwelle, um die Befehle desBarons einzuholen. »Tretet ein, lieber John!« sprach Lord Winter, »tretet ein und macht die Tür zu.« Der junge Offizier trat ein. »Seht Euch nun diese Frau an,« sprach der Baron, »sie ist jung, sie ist schön, sie ist im Besitz aller möglichen Verführungsmittel. Hört mich wohl, sie ist ein Ungetüm, das sich mit fünfundzwanzig Jahren so vieler Verbrechen schuldig gemacht hat, wie Ihr in einem Jahr in den Archiven unserer Tribunale lesen könnt. Ihre Stimme ist einnehmend, ihre Schönheit wird zum Köder für ihre Opfer. Sie wird Euch zu verlocken trachten, sie wird Euch selbst umzubringen versuchen. Ich habe Euch aus dem Elend gerissen, Felton, ich habe Euch zum Leutnant wählen lassen, ich habe Euch einmal das Leben gerettet, Ihr wisset, bei welcher Gelegenheit. Ich bin nicht bloß Euer Beschützer, sondern Euer Freund, ich bin nicht bloß Wohltäter, sondern ein Vater. Diese Frau kam nach England, um mir nach dem Leben zu trachten. Ich habe diese Schlange in meiner Gewalt; ich ließ Euch rufen und sage Euch nun: Freund Felton! John, mein Sohn, hüte dich und hüte mich vor dieser Frau. Schwöre mir bei deinem Seelenheil, daß du sie für die wohlverdiente Strafe aufbewahrst. Felton, ich baue auf dein Wort; John Felton, ich verlasse mich auf deine Redlichkeit.«
»Mylord,« entgegnete der Offizier, indem er sein Auge mit all dem Haß anfüllte, der in seinem Herzen aufflammte; »Mylord, ich schwöre Ihnen, daß es so kommen wird, wie Sie wünschen.« Mylady nahm diesen Blick auf wie ein Opfer, das sich in sein Schicksal ergibt. Es war unmöglich, einen ergebeneren und sanfteren Ausdruck zu sehen, als den, der sich jetzt in ihrem schönen Gesicht kundgab. Lord Winter erkannte kaum in ihr die Tigerin, gegen die er kurz zuvor noch anzukämpfen hatte. »Sie darf dieses Zimmer nie verlassen, John, hört wohl,« fuhr der Baron fort, »sie darf mit niemandem Briefe wechseln, sondern bloß mit Euch reden, wenn Ihr Euch überhaupt herablassen wollt, ein Wort mit ihr zu sprechen.«
»Genug Mylord, ich habe geschworen.«
»Und jetzt, Madame,« sagte der Baron, »jetzt versuchen Sie es, Frieden mit Gott zu schließen, denn von den Menschen sind Sie abgeurteilt!«
Offizier
Inzwischen erwartete der Kardinal Nachrichten aus England. Es kam jedoch keine Botschaft, außer eine unangenehme bedrohliche. Wie gut auch La Rochelle eingeschlossen war, wie sicher der Erfolg schien durch die Maßregeln, die man getroffen, und insbesondere durch den aufgeführten Damm, so konnte doch die Belagerung noch lange dauern, und das war eine große Schmach für die Waffe des Königs, und eine schwere Wucht für den Herrn Kardinal, der zwar nicht mehr Anna von Österreich mit Ludwig XIII. zu entzweien hatte, was schongeschehen war, wohl aber Herrn Bassompierre versöhnen sollte, der sich mit dem Herzog von Angoulême verfeindet hatte. Die Belagerer verhafteten von Zeit zu Zeit Boten, welche die Rocheller an Buckingham aussandten, oder Kundschafter, die Buckingham an die Rocheller schickte. Der Prozeß war in dem einen wie in dem andern Falle schnell abgetan. Der Kardinal sprach das einzige Wort: »gehenkt!« Man lud den König ein, die Exekution mit anzusehen; er kam herbei, und erkor sich einen guten Platz, denn das diente ihm einigermaßen zur Zerstreuung. Indes verstrich die Zeit, und die Rocheller ergaben sich nicht. Der letzte Kundschafter, den man ergriff, war der Überbringer eines Briefes. Dieser Brief meldete allerdings Buckingham, daß in der Stadt die äußerste Hungersnot herrschte, allein statt des Zusatzes: »Trifft Ihre Hilfe nicht noch vor vierzehn Tage» ein, so werden wir uns ergeben« – war ganz einfach beigefügt: »Trifft Ihre Hilfe nicht vor vierzehn Tagen ein, so wird uns bis zu Ihrer Ankunft der
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