Die drei Musketiere
Lippen und ein verneinendes Zeichen war Aramis' Antwort. »Meine Herren! Ihr versteht mich nicht,« sprach d'Artagnan, indem er sein Haupt erhob, worauf in diesem Moment ein Sonnenstrahl spielte, der die feinen und kühnen Linien vergoldete; »ich bitte euch um Entschuldigung, im Falle ich an alle drei meine Schuld nicht abtragen könnte; denn Herr Arthos hat das Recht, mich zuerst zu töten, das benimmt dem Wert Eurer Schuldforderung viel, Herr Porthos! und macht die Eure fast zunichte, Herr Aramis! und jetzt, meine Herren! ich wiederhole es, entschuldigt mich, aber nur in dieser Hinsicht,und nun ans Werk.« Bei diesen Worten zog d'Artagnan seinen Degen, mit der ritterlichsten Gebärde, die man sehen konnte. Das Blut stieg ihm zu Kopf, und er hätte in diesem Augenblick den Degen wider alle Musketiere des Reiches gezogen, sowie er es tat gegen Athos, Porthos und Aramis. Es war ein Viertel nach zwölf Uhr. Die Sonne stand im Zenit, und das zum Kampfplatz ausgewählte Terrain war der ganzen Tageshitze ausgesetzt. »Es ist sehr heiß,« sprach Athos, indem er gleichfalls seinen Degen zog, »und doch darf ich meinen Oberrock nicht ablegen. Ich merkte eben, daß meine Wunde wieder blute, und ich fürchtete den Herrn zu belästigen, wenn ich ihn Blut sehen ließe, das er nicht selbst zum Ausfluß gebracht hat.«
»Das ist wahr, mein Herr,« versetzte d'Artagnan, »und ich versichere Euch, mag nun das Blut durch mich oder durch einen andern zum Ausströmen gebracht werden, daß ich es stets mit Leidwesen einem so wackeren Edelmann entströmen sehe; somit will auch ich im Wams kämpfen wie Ihr.«
»Also auf!« sprach Porthos, »genug der Komplimente, bedenkt nur, daß wir warten, bis die Reihe an uns kommt.«
»Sprecht für Euch allein, Porthos, wenn Ihr solche Ungereimtheiten zu sagen habt,« unterbrach ihn Aramis. »Was mich betrifft, so finde ich das, was sich diese Herren sagen, recht wohl gesprochen nnd durchaus würdig zweier Kavaliere.«
»Wenn es Euch genehm ist, mein Herr,« rief Athos und nahm seine Stellung ein. »Ich warte auf Eure Befehle,« sagte d'Artagnan und kreuzte die Klinge mit der des Gegners. Allein die zwei Stoßdegen hatten bei ihrer Berührung kaum noch geklungen, als sich an der Ecke des Klosters eine Kriegerschar von der Leibwache Sr. Eminenz zeigte, die Herr von Jussac anführte »Die Garden des Kardinals,« riefen zugleich Porthos und Aramis. »Den Degen in die Scheide, meine Herren, den Degen in die Scheide!« Es war aber schon zu spät. Man erblickte die zwei Kämpfenden in einer Stellung, die über ihr Vorhaben keinen Zweifel übrig ließ. »Holla!« schrie Jussac, indem er vorschritt und seinen Leuten ein Zeichen gab, dasselbe zu tun. »Holla! Musketiere, also schlägt man sich hier? Und wie steht es mit den Edikten?«
»Meine Herren von der Garde! Ihr seid recht großherzig,« sagte Athos voll Ingrimm, denn Jussac war zwei Tage vorher einer von den Angreifern gewesen. »Würden wir sehen, daß Ihr Euch schlägt, so bürge ich, daß wir uns hüten möchten, Euch daran zu verhindern. Lasset uns also gewähren und Ihr werdet eine Unterhaltung haben, die Euch gar keine Mühe kostet.«
»Meine Herren!« erwiderte Jussac, »ich erkläre Euch mit großem Leidwesen, daß das unmöglich ist. Unsere Pflicht geht über alles; steckt gefälligst die Degen ein und folget uns!«
»Mein Herr!« entgegnete Aramis, indem er Jussac parodierte, »wir würden Eurer holdseligen Aufforderung mit großem Vergnügen nachkommen, wenn es von uns abhinge; dochist das leider unmöglich. Herr von Tréville hat es uns verboten. Geht also Eure Wege; das ist das beste, was Ihr tun könnt.« Durch diesen Hohn ward Jussac erbittert. Er sagte: »Wir packen also an, wenn Ihr uns nicht Folge leistet.«
»Es sind ihrer fünf,« flüsterte Athos, »und wir sind nur drei; wir werden abermals übermannt und bleiben auf dem Platze; denn ich sage Euch, als Besiegter trete ich nicht wieder vor den Kapitän.« Athos, Porthos und Aramis näherten sich, während Jussac seine Soldaten in Reihe aufstellte. Dieser einzige Augenblick genügte d'Artagnan, seinen Entschluß zu fassen; war das einer der Vorfälle, die über das Leben eines Menschen entscheiden, so mußte eine Wahl getroffen werden zwischen dem König und dem Kardinal; und hatte er gewählt, so mußte er dabei verharren. Sich schlagen hieß wider das Gesetz handeln, hieß seinen Kopf daran setzen; kurz, es hieß sich einen höchst wichtigen Minister zum Feinde machen.
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