Die drei Musketiere
erhob sich Athos von seinem Stuhle, gürtete sich das Schwert um, wickelte sich in seinen Mantel und verließ das Gasthaus. Es war zehn Uhr, und bekanntlich lassen sich in der Provinz um diese Zeit nur seltenMenschen auf der Straße treffen. Es war offenbar, daß Athos jemanden suchte, an den er eine Frage stellen könnte. Endlich ging ein Verspäteter vorbei, er trat zu ihm hin und sprach mit ihm einige Worte. Dieser Mann, an den er sich gewandt hatte, zog sich erschreckt zurück, doch beantwortete er durch Gebärden die Frage des Musketiers. Athos bot ihm eine halbe Pistole, wenn er ihn begleiten wollte, allein der Mann weigerte sich. Athos vertiefte sich in eine Gasse, die ihm dieser Mann mit dem Finger bezeichnet hatte, als er aber zu einem Querweg kam, geriet er aufs neue in sichtliche Verlegenheit. Er blieb jedoch an diesem Querweg stehen, weil er hier sicherer als irgendwo einen Menschen zu treffen hoffte. Bald darauf ging wirklich ein Nachtwächter vorüber. Athos wiederholte dieselbe Frage, die er bereits an jenen Mann gestellt hatte. Der Nachtwächter zeigte denselben Schrecken, weigerte sich gleichfalls, Athos zu begleiten, und wies ihm mit der Hand den Weg, den er zu nehmen hatte. Athos schritt in der angedeuteten Richtung weiter und erreichte die am entgegengesetzten Ende liegende Vorstadt. Hier schien er aufs neue unruhig und verlegen, und hielt zum drittenmal an. Glücklicherweise kam ein Bettler vorüber, der zu Athos trat und ihn um Almosen anflehte. Athos bot ihm einen Taler an, wenn er ihn begleiten wollte. Der Bettler zögerte einen Augenblick, da er aber in der Dunkelheit das Geldstück funkeln sah, entschloß er sich und ging Athos voraus. Als sie zu einer Straßenecke kamen, zeigte er ihm von fern ein kleines, einsam gelegenes und düsteres Haus. Athos ging rasch dahin, indes sich der Bettler nach empfangener Belohnung in aller Hast aus dem Staube machte. Athos ging rund um das Haus, ehe er an dem rotbemalten Hause die Tür wahrnahm. Kein Licht flimmerte durch die Spalten der Fensterbalken, kein Geräusch ließ vermuten, daß es bewohnt sei; es war stumm und traurig wie ein Grab. Athos pochte dreimal an, ohne daß man Antwort gab: beim dritten Schlage näherten sich im Innern Tritte, die Tür ging zur Hälfte auf und ein Mann von hohem Wuchs, blasser Gesichtsfarbe, schwarzen Haaren und schwarzem Barte kam zum Vorschein. Athos sprach mit ihm einige Worte ganz leise, dann gab der Mann von hoher Gestalt dem Musketier einen Wink, daß er eintreten könne. Athos kam der Aufforderung nach, und hinter ihm schloß sich die Tür wieder. Der Mann, den Athos in so großer Entfernung aufgesucht, und nur mühevoll gefunden hatte, ließ ihn in ein Laboratorium eintreten, wo er eben damit beschäftigt war, die klappernden Gebeine eines Gerippes mittels Eisendraht zusammenzufügen. Bereits war der ganze Leib zusammengesetzt, und nur der Kopf lag noch auf dem Tisch. Die ganze übrige Einrichtung zeigte an, daß sich dieser Mann, bei dem man sich befand, mit Naturwissenschaftenbefasse. Es gab hier gläserne Gefäße voll von Schlangen mit Aufschriften, je nach den Arten, getrocknete Eidechsen glänzten wie Smaragde in großen, hölzernen Rahmen, Bündel von wildwachsenden aromatischen Kräutern, sicherlich von Eigenschaften und Kräften, die dem gemeinen Haufen unbekannt waren, hingen am Plafond und in den Winkeln des Gemachs. Athos richtete einen kalten, gleichgültigen Blick auf diese erwähnten Gegenstände und setzte sich zu dem Manne, der ihm neben sich einen Platz angewiesen hatte. Er eröffnete ihm den Zweck seines Kommens und den Dienst, den er von ihm verlangte; aber kaum hatte er ihm seinen Wunsch mitgeteilt, als der Unbekannte, der vor dem Musketier stehengeblieben war, voll Schreck zurückwich unb sich weigerte, ihm Folge zu leisten. Athos nahm aus seiner Tasche ein kleines Papier, worauf zwei Zeilen standen, mit Unterschrift und Siegel versehen, und bot es demjenigen dar, der sein Widerstreben zu frühzeitig geäußert hatte. Der Mann von hoher Gestalt hatte die paar Zeilen kaum gelesen, die Unterschrift gesehen und das Siegel erkannt, als er sich verneigte, zum Zeichen, daß er keine Einwendung mehr mache, sondern Folge zu leisten bereit sei. Athos verlangte nichts weiter, stand auf, verließ das Haus, ging auf demselben Wege, den er gekommen war, wieder durch die Gassen, kehrte in das Gasthaus zurück und sperrte sich in seinem Zimmer ab. Mit Tagesanbruch kam d'Artagnan zu ihm und fragte, was zu
Weitere Kostenlose Bücher