Die drei Musketiere
Nase und einem Teint von rosa und opal marmoriert. Indes hörten hier die Merkmale auf, durch die man sie hatte mit einer hohen Dame vermengen können. Die Hände waren weiß, doch nicht fein und zart, die Füße verrieten keine Frau von Stand. Glücklicherweise konnte sich d'Artagnan noch nicht mit diesen Einzelheiten befassen. Während d'Artagnan Madame Bonacieux forschend anblickte und bis zu den Füßen kam, sah er auf dem Boden ein feines Batisttuch liegen, das er seiner Gewohnheit gemäß aufhob, und er erkannte an der Ecke dieselbe Zeichnung, die er an jenem Sacktuch bemerkt hatte, wegen dessen er mit Aramis zum Zweikampf gekommen war. Von dieser Zeit an hatte d'Artagnan auf alle Sacktücher ein Mißtrauen, worin Wappen eingestickt waren, darum schob er das aufgelesene in die Tasche der Madame Bonacieux, ohne dabei ein Wort zu sprechen. In diesem Moment kam Madame Bonacieux zum Bewußtsein. Sie öffnete die Augen, blickte mit Schrecken umher, und sah, daß das Zimmer leer, und sie mit ihrem Retter allein sei. Siereichte ihm lächelnd die Hände. Madame Bonacieux war im Besitz des reizendsten Lächelns. »Ha, mein Herr!« sagte sie, »Sie haben mich gerettet; erlauben Sie, daß ich Ihnen danke!«
»Madame,« erwiderte d'Artagnan, »ich tat nur soviel, wie jeder Edelmann an meiner Stelle getan hätte, somit sind Sie mir keinen Dank schuldig.«
»Doch, mein Herr! doch, und ich hoffe, Ihnen beweisen zu können, daß Sie keiner Undankbaren einen Dienst erwiesen haben. Was wollten denn diese Männer, die ich anfangs für Räuber hielt? und warum ist Herr Bonacieux nicht anwesend?«
»Madame! diese Männer waren viel gefährlicher, als es Räuber sein könnten, denn es sind Agenten des Herrn Kardinal, und was Ihren Gemahl, Herrn Bonacieux, anbelangt, so ist er nicht hier, denn er wurde gestern verhaftet und in die Bastille geführt.«
»Mein Mann in der Bastille!« seufzte Madame Bonacieux; »ach, mein Gott! was hat er denn verbrochen? der arme, liebe Mann! er, die Unschuld selber!« Und etwas wie ein Lächeln zeigte sich auf dem noch schreckerfüllten Antlitz der jungen Frau. »Was er verbrochen hat, Madame?« sagte d'Artagnan, »ich glaube, seine ganze Schuld ist diese, daß er zugleich das Glück und das Unglück hat, Ihr Gemahl zu sein.«
»Doch, mein Herr! Sie wissen also... ?«
»Ich weiß, daß Sie entführt worden sind, Madame.«
»Und von wem wissen Sie das? O, wenn Sie das wissen, so sagen Sie es mir.«
»Von einem Manne, der vierzig bis fünfundvierzig Jahre alt ist, schwarze Haare, eine dunkle Gesichtsfarbe und eine Narbe an der linken Schläfe hat.«
»So ist es, ja, so ist es; aber sein Name?«
»Ach, seinen Namen weiß ich nicht.«
»Wußte also mein Gatte, daß ich entführt worden bin?«
»Er bekam die Nachricht durch einen Brief, den ihm der Entführer selbst geschrieben hat.«
»Und vermutet er die Ursache dieses Vorfalls?« fragte Madame Bonacieux mit Verlegenheit. »Ich glaube, er schrieb ihn einer politischen Ursache zu.«
»Ich zweifelte anfänglich daran, doch bin ich jetzt seiner Meinung. Also hatte mich dieser liebe Herr Bonacieux nicht einen Augenblick im Verdacht?«
»O, weit davon entfernt, Madame! er war zu stolz auf Ihre Verständigkeit und zumal auf Ihre Liebe.« Ein abermaliges fast unmerkliches Lächeln schwebte um die rosigen Lippen der schönen jungen Frau. »Wie sind Sie aber entkommen?« fuhr d'Artagnan fort. »Ich nützte einen Moment, wo man mich allein ließ, und da ich diesen Morgen wußte, was ich von meiner Entführung zu halten habe, so glitt ich mittels meiner Bettücher vom Fenster hinab, und eilte hierher, da ich meinen Mann hier zu finden hoffte.«
»Um sich unter seinen Schuh zu begeben?«
»Ach nein, der liebe arme Mann! ich wußte, daß er nicht im stande gewesen wäre, mich zu verteidigen, doch da er uns zu etwas anderm dienen konnte, so wollte ich ihn benachrichtigen.«
»Wovon?«
»Ach, das ist nicht mein Geheimnis, daher kann ich esIhnen nicht mitteilen.«
»Außerdem,« versetzte d'Artagnan, »um Vergebung, Madame! daß ich, ein einfacher Krieger, Sie an Klugheit mahne, außerdem glaube ich, ist hier zu vertraulichen Mitteilungen nicht der rechte Ort. Die Männer, die ich in die Flucht trieb, werden alsbald mit starker Mannschaft zurückkommen, und wenn sie uns treffen, sind wir verloren. Ich meldete es wohl dreien meiner Freunde, allein, wer weiß, ob man sie zu Hause getroffen hat.«
»Ja, ja! Sie haben recht,« entgegnete Madame
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