Die drei Musketiere
vielen Kerzen erleuchtet wurde. Hier bemerkte man unter einem Prachthimmel von blauem Samt, überragt von weißen und roten Federn, ein Bildnis in natürlicher Größe, das Anna von Österreich so sprechend ähnlich war, daß d'Artagnan beim Anblick vor Überraschung aufschrie; man hätte geglaubt, die Königin sei im Begriff zu sprechen. Auf dem Altar und unter dem Bildnis stand das Kistchen, das die diamantenen Nestelstifte einschloß. Der Herzog näherte sich demselben, kniete nieder und öffnete das Kistchen. Er zog eine große blaue Bandschleife, die durchaus von Diamanten strahlte, hervor und sagte: »Sehen Sie, das sind die kostbaren Nestelstifte, mit denen mich begraben zu lassen ich den Schwur tat. Die Königin hat sie mir gegeben, die Königin nimmt sie mir wieder; nun, so möge denn ihr Wille geschehen!« hierauf küßte er diese Stifte, von denen er sich trennen mußte, einen nach dem andern. Aber auf einmal stieß er einen entsetzlichen Schrei aus. »Was ist es?« fragte d'Artagnan bekümmert. »Mylord, was begegnet Ihnen?«
»Ha, alles ist verloren!« rief Buckingham, und wurde so blaß wie eine Leiche;»es fehlen zwei von diesen Nestelstiften, denn es sind nur noch zehn.«
»Halten Sie dieselben für verloren, Mylord, oder glauben Sie, daß sie entwendet worden sind?«
»Man hat sie mir geraubt,« rief der Herzog, »das ist ein Streich, der vom Kardinal ausgeht. Sehen Sie. die Bänder, woran sie hingen, sind mit der Schere durchschnitten.«
»Haben Sie eine Vermutung, Mylord, wer den Diebstahl begangen hat? Vielleicht hat sie die Person noch in Händen...«
»Hören Sie,« rief der Herzog. »Ein einzigesmal nur trug ich diese Nestelstifte, und das war vor acht Tagen in Windsor auf dem Balle des Königs. Die Gräfin von Winter, mit der ich zerworfen war, hat sich mir auf diesem Balle genähert. Dieser Schritt war eine Rache der eifersüchtigen Frau. Seit diesem Tage sah ich sie nicht wieder. Diese Frau ist eine Agentin des Kardinals.«
»So hat er denn in der ganzen Welt Agenten!« rief d'Artagnan. »Ach, ja, ja!« versetzte Buckingham und knirschte vor Zorn mit den Zähnen; »ja, er ist ein furchtbarer Kämpfer. – Doch sagen Sie, wann findet jener Ball statt?«
»Am nächsten Montag.«
»Am nächsten Montag? Fünf Tage noch! das ist mehr Zeit als nötig ist. – Patrice!« rief der Herzog und öffnete die Tür der Kapelle. Der Kammerdiener erschien. »Meinen Juwelier und meinen Sekretär.« Der Kammerdiener entfernte sich hurtig und stumm. Obwohl jedoch der Juwelier zuerst berufen worden war, so erschien doch der Sekretär noch vor ihm, Das war ganz einfach, da er im Hotel wohnte. Er traf Buckingham in seinem Schlafgemach vor einem Tisch, wo er eigenhändig einige Briefe schrieb. »Herr Jackson,« sprach er, »verfügt Euch alsogleich zum Lordkanzler und meldet ihm, daß er diese Befehle zu vollziehen habe. Ich will, daß man sie auf der Stelle bekanntmache.«
»Doch, gnädigster Herr, wenn mich der Lordkanzler um die Beweggründe fragt, die Ew. Hoheit zu so außerordentlichen Maßregeln bestimmten, was habe ich darauf zu entgegnen?«
»Es habe mir so beliebt und ich habe niemandem Rechenschaft meines Willens abzulegen.«
»Ist das die Antwort, die er Seiner Majestät überbringen soll,« erwiderte der Sekretär lächelnd, »wenn etwa Seine Majestät neugierig wäre, erfahren zu wollen, warum aus den Häfen Großbritanniens kein Schiff mehr auslaufen darf?«
»Ihr habt recht, mein Herr,« versetzte Buckingham, »in diesem Falle möge er dem König sagen, daß ich den Krieg beschlossen habe, und daß diese Maßregel der erste feindselige Schritt gegen Frankreich sei.« Der Sekretär verneigte sich und ging.
Buckingham wandte sich wieder zu d'Artagnan und sagte: »Von dieser Seite wären wir denn ruhig. Sind die Nestelstifte noch nicht nach Frankreich abgegangen, so werden sie erst nach Ihnen dort ankommen.«
»Wie das?«
»Ich legte Beschlag auf alle Schiffe, die sich zu dieser Stunde in den Häfen Seiner Majestät befinden, und keineswird es ohne besondere Erlaubnis wagen, die Anker zu lichten. D'Artagnan betrachtete mit Erstaunen den Mann, der die unbeschränkte Macht, die ihm das Vertrauen seines Königs einräumte, zum Dienste seiner Herzensangelegenheiten verwendete. Buckingham las in dem Gesichtsausdruck dieses jungen Mannes, was er eben dachte, und lächelte. Dann sprach er zu ihm: »Ja, Anna von Osterreich ist meine wahre Königin! Auf ein Wort von ihr will ich sogar mein Land
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