Die drei Steine der Macht
Bergen, weit im Süden. Nur wenige Menschen oder Wobbelhobbel verirrten sich in diese hohen Regionen. Fernab von den bewohnten Gebieten der Ebenen lebten sie im Gebirge. Sie schützten ihre Berge und lebten von ihnen. Sie flogen gemeinsam mit dem Adler, der seit jeher ihr Freund war. Sie jagten die Bergziegen und Gemsen in den Felshängen, die Fische in den wilden Bächen. Die Wiesen in den Tälern und die Wälder, die sich an die Bergflanken schmiegten, lieferten ihnen alles, was sie brauchten. Sie waren ein friedfertiges Volk, Jäger und Sammler. So war es seit Tausenden von Jahren, bis sich allmählich etwas zu ändern begonnen hatte.
Max war nun ganz Ohr.
Es war, als ob ein Schatten immer weiter in die Berge kroch und Stück für Stück das Licht zurückdrängte. Hatten die Menschen bis dahin die hohen Berglagen gemieden und ihnen ihre Ruhe gelassen, kamen sie nun einzeln und in kleinen Gruppen. Es waren keine friedlichen Bauern oder Hirten, sondern Gesetzlose, Räuber und Verbrecher. Menschen, für die es nirgendwo einen Platz gab. Irgendetwas in den Bergen zog sie an. Und sie siedelten in immer höheren Lagen, kamen immer weiter in die Berge hinein.
Das Himmelsvolk zog sich zurück, gab seine Dörfer auf und baute neue. Es gab nicht viele von ihrem Volk, so dass keine Not herrschte. Aber es begannen Windreiter, so wie sie sich selbst nannten, zu verschwinden. Junge kräftige Männer kamen plötzlich von der Jagd nicht wieder. Unruhe machte sich breit, und das Himmelsvolk wurde wachsamer und begriff allmählich, dass man ihnen ihre Ruhe nicht mehr ließ.
Eines Tages schaffte es einer der verschwundenen Windreiter zurück in ihr Dorf. Sein ganzer Körper war von Peitschenhieben gekennzeichnet, sein ausgemergelter Leib von eitrigem Schorf bedeckt. Er berichtete, dass auf dem höchsten Berg im Gebirge ein mächtiger Zauberer hause, böse bis ins Blut und mit einem Herzen aus Stein. Das Gesindel, das nun die Berge bevölkerte, diente ihm. Sie fingen die Windreiter mit Netzen, wenn diese auf Jagd waren. Nur kräftige junge Männer. Sie wurden schlimmer als Vieh gehalten und dienten dem Zauberer als Zugtiere für sein Luftgefährt und als Material für seine zahlreichen Experimente. Starb einer der Windreiter, wurde er ersetzt. Mit seinem Zauberstein brach der Zauberer den Willen der Gefangenen, so dass sie sich ihm nicht widersetzen konnten. Manchmal gab es lichte Momente, in denen man aufwachte, wie aus einem Traum auftauchte, und bevor man richtig realisieren konnte, was geschehen war, fing der Zauber einen wieder ein. Er hatte es geschafft, in einem lichten Moment zu entkommen, von dem Gedanken besessen, seine Liebste noch einmal wiederzusehen. Er war auf der Suche nach einem dieser Schmucksteine gewesen, den er ihr zum Hochzeitsgeschenk machen wollte, als das Netz sich um ihn legte und ihn aus seinem Leben riss.
Er hatte noch zwei Tage im Delirium gelegen, bevor er seinen Verletzungen erlegen war.
Lairea verstummte, die Hand um den leeren Becher verkrampft, und schaute gedankenverloren in das Feuer, während Tränen ihre Wangen herunterliefen. Die Freunde schauten sich betroffen an. Die Brüder hatten in ihrer blinden Habgier so viel Leid verursacht. Agilwardus schien der Mächtigste zu sein und von seinem Stein stetig Gebrauch zu machen. Er hatte sich von seinem Bruder in diesem Wald getrennt und war weiter in die Berge gezogen. Max musste wissen, wie es weiterging, er musste wissen, was mit Agilwardus geschehen war und wo er sich jetzt befand. Er öffnete schon den Mund, um Lairea mit der Frage aus ihren Gedanken zu holen, als er eine feste Hand auf seinem Arm spürte. Anemone schüttelte leicht den Kopf und bat ihn stumm, dem Mädchen noch etwas Zeit zu geben. Zeit, die sie nicht hatten.
Irgendwann holte Lairea tief Luft und sprach leise weiter.
Vor drei Wochen war ihr Dorf in der Nacht überfallen worden, nahezu überrannt von diesem Gesindel, das ihnen die Heimat streitig machte. Die Männer wurden von den Frauen, Kindern und Alten getrennt und in die Reihe gefangener Windreiter eingegliedert. So, wie es aussah, war nahezu jedes Dorf seiner Männer beraubt worden. Mit seinen Getreuen war auch der alte Mann gekommen, überheblich und arrogant. Er hatte den Windreitern erklärt, würden sie nicht freiwillig mit ihm gehen und für ihn kämpfen, würde jeder aus dem Dorf einen qualvollen Tod sterben. Er hatte dabei seinen Stein in der Hand, und sie selbst hatte die Macht gespürt, die jegliche
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