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Die drei Stigmata des Palmer Eldritch

Die drei Stigmata des Palmer Eldritch

Titel: Die drei Stigmata des Palmer Eldritch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Widerspruch zu seiner Persönlichkeit. Vielleicht, dachte er, aus lauter Verzweiflung darüber, daß ich alles verloren habe. Aber das konnte er sich eigentlich nicht vorstellen; es mußte andere Gründe dafür geben.
    Als das Schiff unweit der Grube in der Wüste landete, kam ihm ein Gedanke. Vielleicht habe ich mich bloß darauf eingelassen, um Anne begreiflich zu machen, was es mit Chew-Z auf sich hat. Auch wenn die Demonstration nur Täuschung ist. Denn, überlegte er, wenn ich das Toxin einnehme, wird sie Chew-Z gar nicht erst probieren. Das sagte ihm seine Intuition. Und das genügte.
    Aus dem Schiff stieg Palmer Eldritch.
    Eine Verwechslung war ausgeschlossen; seit seiner Bruchlandung auf Pluto hatten die Homöoblätter ein Foto nach dem anderen von ihm gebracht. Zwar waren die Bilder mindestens zehn Jahre alt, doch war dies zweifellos derselbe Mann. Grau und hager, weit über einsachtzig groß, mit baumelnden Armen und seltsam federndem Gang. Und sein Gesicht. Es wirkte irgendwie entstellt, zerfressen; als ob die Fettschicht nach und nach aufgezehrt worden wäre, dachte Barney, als ob Eldritch sich immer wieder von sich selbst genährt, die überflüssigen Teile seines Körpers mit Genuß verschlungen hätte. Er hatte riesige Stahlzähne, die ihm vor seinem Flug nach Prox von tschechischen Zahnchirurgen eingesetzt worden waren; sie hatten sie fest mit seinem Kiefer verschweißt: er würde mit ihnen sterben. Und – sein rechter Arm war künstlich. Den echten hatte er vor zwanzig Jahren bei einem Jagdunfall auf Callisto verloren; die Prothese bot den entscheidenden Vorteil, daß sie mit einer Anzahl eigens für ihn angefertigter, austauschbarer Hände ausgestattet war. Im Augenblick trug Eldritch eine fünffingrige humanoide Manualextremität; wäre ihr metallischer Schimmer nicht gewesen, hätte man sie für organisch halten können.
    Und er war blind. Zumindest was seinen naturgegebenen Organismus anging. Doch man hatte für Ersatz gesorgt – zu einem Preis, den Eldritch bezahlen konnte und wollte; die Operation war kurz vor seiner Prox-Reise von brasilianischen Augenärzten vorgenommen worden. Sie hatten erstklassige Arbeit geleistet. Die in die leeren Höhlen eingepaßte Sehhilfe hatte weder Augäpfel noch Pupillen. Statt dessen sorgte ein Weitwinkelobjektiv in Form eines waagerechten Schlitzes, der von einem Ohr zum anderen reichte, für Rundumblick. Der Unfall, der ihn das Augenlicht gekostet hatte, war eigentlich gar kein Unfall gewesen; in Chicago hatten unbekannte Täter ein Säureattentat auf ihn verübt, aus ebenso unbekannten Motiven ... zumindest was die Öffentlichkeit anbelangte. Eldritch wußte es wahrscheinlich besser. Aber er hatte sich in Schweigen gehüllt und auf eine Anzeige verzichtet; statt dessen war er umgehend nach Südamerika geflogen, um sich in die Obhut der brasilianischen Augenspezialisten zu begeben. Seine künstlichen, waagerecht geschlitzten Augen schienen ihm zu gefallen; schon wenige Tage später hatte er an der Einweihung des neuen Opernhauses von St. George in Utah teilgenommen und sich ungeniert unter seinesgleichen gemischt. Noch heute, nach zehn Jahren, wurde diese Operation nur äußerst selten durchgeführt, und Barney sah die Jensen-Weitwinkel-Luxvideo-Augen zum ersten Mal; die Sehhilfe und die Armprothese mit ihrem unglaublich vielfältigen manuellen Repertoire machten größeren Eindruck auf ihn, als er erwartet hatte ... oder war da noch etwas anderes?
    »Mr. Mayerson«, sagte Palmer Eldritch lächelnd; sein Stahlgebiß funkelte im schwachen, kalten Sonnenlicht des Mars. Er streckte die Hand aus, und Barney tat es ihm automatisch gleich.
    Seine Stimme, dachte Barney. Sie kommt gar nicht aus seinem ... Er blinzelte. Die ganze Gestalt war ohne Substanz; die Landschaft schimmerte undeutlich durch sie hindurch. Sie war so etwas wie ein künstlich erzeugtes Phantom, und ein kurioser Gedanke schoß ihm durch den Kopf: So vieles an diesem Mann war falsch, und nun erwiesen sich auch noch sein Fleisch und Blut als Sinnestäuschung. Wenn dies tatsächlich der Heimkehrer aus dem Prox-System ist, überlegte Barney, hat er Hepburn-Gilbert hinters Licht geführt; das ist kein Mensch. Nie und nimmer.
    »Ich bin noch an Bord des Schiffes«, sagte Palmer Eldritch; seine Stimme dröhnte aus einem Lautsprecher am Rumpf des Gleiters. »Eine Vorsichtsmaßnahme; schließlich sind Sie ein Angestellter von Leo Bulero.« Die Phantomhand berührte Barney; er verspürte einen

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