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Die drei Stigmata des Palmer Eldritch

Die drei Stigmata des Palmer Eldritch

Titel: Die drei Stigmata des Palmer Eldritch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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brauche ich mehr? Nichts; mehr verlange ich gar nicht.
    »Ich gehe noch mal weg«, sagte er zu Emily und stellte sein Glas auf die Anrichte; dann holte er seinen Mantel aus der Garderobe.
    »Bist du wieder zu Hause, bevor ich ins Bett gehe?« Traurig folgte sie ihm zur Tür ihrer Eigenwohn in Haus Nr. 11139584 – von der New Yorker Stadtmitte aus gezählt –, in das sie vor zwei Jahren gezogen waren.
    »Mal sehen«, sagte er und öffnete die Tür.
    Auf dem Korridor stand eine Gestalt, ein großer, grauhaariger Mann mit vorstehenden Stahlzähnen, toten, pupillenlosen Augen und einer schimmernden Kunsthand, die aus seinem rechten Ärmel ragte. »Hallo, Mayerson«, sagte der Mann und lächelte; sein Stahlgebiß funkelte.
    »Palmer Eldritch«, sagte Barney. Er drehte sich zu Emily um. »Du hast sein Bild in den Homöoblättern gesehen; du weißt schon, der berühmte Großindustrielle.« Er hatte Eldritch sofort erkannt. »Wollten Sie zu mir?« fragte er zögernd; die Situation hatte etwas Mysteriöses, als wäre all dies schon einmal geschehen, wenn auch in anderer Form.
    »Ich würde mich gern einen Moment mit Ihrem Gatten unterhalten«, wandte sich Eldritch mit ungewohnt freundlicher Stimme an Emily; er winkte ihm, und Barney trat in den Korridor hinaus. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß; gehorsam hatte Emily sie zugemacht. Sofort verfinsterte sich Eldritchs Miene; sein Lächeln war wie weggeblasen, und er herrschte Barney wütend an: »Mayerson, Sie vergeuden Ihre Zeit. Sie tun nichts anderes, als die Vergangenheit zu wiederholen. Zu diesem Zweck habe ich Ihnen Chew-Z nicht verkauft. Wissen Sie was? Sie sind pervers; ich habe so etwas noch nie erlebt. Ich gebe Ihnen zehn Minuten Zeit, dann bringe ich Sie zurück nach Chicken Pox Prospects, wo Sie hingehören. Ich an Ihrer Stelle würde mir schleunigst überlegen, was Sie wollen. Haben Sie überhaupt verstanden, worum es eigentlich geht?«
    »Was in drei Teufels Namen«, fragte Barney, »ist Chew-Z?«
    Die Kunsthand schnellte in die Höhe; Palmer Eldritch versetzte Barney einen heftigen Stoß, und er stürzte zu Boden.
    »He«, sagte Barney schwach und versuchte, sich zu wehren, Eldritchs ungeheurer Kraft etwas entgegenzusetzen. »Was ...«
    Plötzlich lag er flach auf dem Rücken. Ihm brummte der Schädel; mit Mühe gelang es ihm, die Augen zu öffnen und sich auf den Raum zu konzentrieren, in dem er sich befand. Allmählich kam er zu Bewußtsein; zu seinem Erstaunen hatte er einen Pyjama an, den er nie zuvor gesehen hatte. War er in einer fremden Wohnung und trug die Kleider fremder Leute? Eines anderen Mannes?
    Erschrocken untersuchte er das Bett, die Decken. Neben ihm ...
    – neben ihm, die Decke bis zu den nackten, runden Schultern hochgezogen, schlief eine fremde junge Frau. Sie atmete leise durch den Mund, ihr Haar ein watteweißer Wirrwarr.
    »Ich komme zu spät«, sagte er, und seine Stimme klang heiser und verzerrt; sie war kaum wiederzuerkennen.
    »Ach was«, murmelte das Mädchen mit geschlossenen Augen. »Immer mit der Ruhe. Bis zur Arbeit brauchen wir höchstens ...« Sie schlug die Augen auf und gähnte. »... eine Viertelstunde.« Sie lächelte ihn an; sein Unbehagen bereitete ihr sichtliches Vergnügen. »Das sagst du immer, jeden Morgen. Machst du mir eine Tasse Kaffee? Ich brauche dringend eine Tasse Kaffee.«
    »Sofort«, sagte er und krabbelte aus dem Bett.
    »Du bist vielleicht ein Hasenfuß«, sagte das Mädchen höhnisch. »Du kommst ja förmlich um vor Angst. Angst um mich, um deinen Job – immer gleich die Hosen voll.«
    »Mein Gott«, stammelte er, »ich habe alles mit Füßen getreten.«
    »Was, alles?«
    »Emily.« Er starrte das Mädchen an – Roni Soundso – und sah sich in ihrem Schlafzimmer um. »Und jetzt habe ich nichts mehr.«
    »Wie schön«, sagte Roni mit bitterem Sarkasmus. »Vielleicht darf ich dir zur Abwechslung auch mal ein paar Komplimente machen?«
    »Ich habe sie verlassen«, sagte er. »Und zwar nicht schon vor ein paar Jahren. Sondern eben erst. Kurz bevor Palmer Eldritch aufgetaucht ist.«
    »Palmer Eldritch kann unmöglich ›aufgetaucht‹ sein. Er liegt in einem Krankenhaus irgendwo zwischen Saturn und Jupiter; die UN hat ihn dorthin gebracht, nachdem sie ihn aus dem Wrack seines Schiffes geborgen hat.« Ihre Worte klangen spöttisch, und doch lag eine Spur von Neugier in ihrer Stimme.
    »Aber Palmer Eldritch ist mir vor ein paar Minuten erst erschienen«, beharrte er. Und dachte: Ich muß zu Emily zurück.

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