Die drei Stigmata des Palmer Eldritch
die Augen. Es war, als habe sich sein Gehirn vor lauter Schreck bewegt; er spürte, wie es lebte, wie es zitterte. Modifizierter Metabolismus, dachte er. Schock. Es tut mir leid, entschuldigte er sich bei seinem Soma. Ich kann nichts dafür.
»Hilfe«, rief er.
»Von wegen Hilfe«, krächzte eine Männerstimme. »Was soll ich denn tun, Ihnen das Händchen halten? Und wenn Sie nicht sofort die Augen aufmachen, können Sie gleich wieder verschwinden. Die Zeit auf dem Mars hat Ihnen offenbar den Verstand geraubt; Mayerson, ich habe die Nase voll. Reißen Sie sich zusammen!«
»Seien Sie still«, sagte Barney. »Mir ist schlecht; ich bin zu weit gegangen. Fällt Ihnen eigentlich nichts Besseres ein, als mich anzubrüllen?« Er schlug die Augen auf, und vor ihm saß Leo Bulero, an seinem großen, mit Papieren übersäten Eichenschreibtisch. »Hören Sie, ich bin auf Chew-Z«, sagte Barney. »Ich kann nichts dagegen unternehmen. Wenn Sie mir nicht helfen, bin ich geliefert.« Die Knie wurden ihm weich wie geschmolzenes Metall, und er schleppte sich zu einem Sessel und sank hinein.
Leo zog an seiner Zigarre und betrachtete ihn nachdenklich. »Sie sind jetzt auf Chew-Z?« fragte er mit finsterer Miene. »Das Zeug ist doch schon seit zwei Jahren ...«
»Verboten?«
»Ja. Verboten. Mein Gott. Ich habe keine Ahnung, weshalb ich überhaupt mit Ihnen spreche; was sind Sie eigentlich? Ein Phantasma aus der Vergangenheit?«
»Haben Sie mir nicht zugehört? Ich habe gesagt, ich bin auf Chew-Z!« Barney ballte die Fäuste.
»Sachte, sachte.« Leo paffte dichte graue Rauchwolken. »Immer mit der Ruhe. Verdammt noch mal, was soll dieses Theater? Ich habe auch in die Zukunft gesehen, und ich lebe noch. Und überhaupt, Sie sind doch ein Präkog – Sie müßten das eigentlich gewohnt sein.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, drehte sich einmal um die eigene Achse und schlug dann die Beine übereinander. »Außerdem habe ich ein Denkmal gesehen. Und jetzt raten Sie mal, wem es gewidmet war. Mir.« Er starrte Barney prüfend an und zuckte dann die Achseln.
»In dieser Periode habe ich nichts, aber auch gar nichts zu suchen«, sagte Barney. »Ich will meine Frau zurück. Ich will Emily.« Bitterkeit stieg in ihm auf. Die beißende Galle der Verzweiflung.
»Emily.« Leo Bulero nickte. Er drückte die Taste seiner Gegensprechanlage und sagte: »Miss Gleason, ich möchte vorerst nicht gestört werden.« Er wandte sich wieder Barney zu und musterte ihn kritisch. »Dieser Hnatt – so heißt er doch? – ist mitsamt dem Rest von Eldritchs Belegschaft von der UN-Polizei verhaftet worden; Hnatt hatte mit Eldritchs Vertreter einen Vertrag abgeschlossen. Er konnte wählen zwischen einer Gefängnisstrafe – ich gebe zu, das ist nicht gerade fair, aber ich hatte damit nichts zu tun – und der Emigration. Er ist emigriert.«
»Und was ist mit ihr?«
»Mit ihrem Töpfergeschäft? Das hätte sie von einer Grube unter der Marswüste aus unmöglich weiterführen können. Also hat sie den Trottel kurzerhand abserviert. Sie sehen also, mit ein wenig Geduld ...«
»Sind Sie wirklich Leo Bulero?« fragte Barney. »Nein, Sie sind Palmer Eldritch. Und Sie erzählen mir das alles nur, um mir das Leben endgültig zur Hölle zu machen, nicht wahr?«
Leo zog die Augenbrauen hoch und sagte: »Palmer Eldritch ist tot.«
»Aber das alles hier ist doch nicht echt, sondern eine drogeninduzierte Fantasie. Eine Verwandlung.«
»Unsinn, natürlich ist das alles echt.« Leo funkelte ihn böse an. »Oder sehe ich aus, als ob ich unecht wäre?« Er zeigte wütend mit dem Finger auf Barney. »Sie sind ein verfluchtes Phantasma aus der Vergangenheit, nicht ich. Sie sind auf dem falschen Dampfer. Hören Sie das?« Er ließ mit aller Kraft die Hand auf seinen Schreibtisch niedersausen. »Das ist der Klang der Wirklichkeit. Wenn ich Ihnen sage, daß Ihre Exfrau und Hnatt geschieden sind, können Sie mir das ruhig glauben; schließlich verkauft sie uns ihre Keramiken zum Minnen. Wenn mich nicht alles täuscht, war sie letzten Freitag erst bei Roni Fugate.« Mürrisch und mit düsterer Miene schmauchte er seine Zigarre.
»Dann brauche ich also bloß bei ihr vorbeizufahren«, sagte Barney. So einfach war das.
»Ganz recht«, pflichtete Leo bei und nickte. »Eine Frage noch: Wie stellen Sie sich das mit Roni Fugate vor? Schließlich leben Sie mit ihr zusammen in dieser Welt, die Sie offenbar für unecht halten.«
»Nach zwei Jahren ?« fragte Barney erstaunt
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