Die drei ??? und der Phantomsee
›Argyll Queen‹, junger Mann? O ja, ich glaube, darüber haben wir umfangreiches Material. Ein schreckliches Schiffs-unglück, um das es dann etliche Jahre später noch einmal viel Wirbel gab. Gerüchte von einem Schatz, weißt du.«
»Von einem Schatz?« rief Bob.
»Gold und Juwelen und all das.« Die Dame lächelte wieder. »Ich glaube aber nicht, daß dabei viel herausgekommen ist. Ich hole dir mal die Unterlagen, mein Junge.«
Bob wartete mit wachsender Erregung im Bibliothekssaal des Instituts. Als die grauhaarige Dame zurückkam, schleppte sie einen gewaltigen Papierberg in einer Schublade an.
»Tut mir leid, aber das Material ist nicht geordnet«, sagte sie dazu.
Bob nahm die Schublade und lief damit in eines der kleinen Lesezimmer, wo er allein war. Er setzte sich an einen langen Tisch und nahm sich die Akten vor.
Er blinzelte entgeistert. Die Lade war vollgepfropft mit Zet-teln, gehefteten Manuskripten, dünnen Büchern und Aus-schnitten aus Zeitungen und Zeitschriften. Irgendeine Ordnung schien es in dem Papierwust nicht zu geben. Mit einem Seufzer zog Bob den erstbesten Artikel heraus, und da hörte er über sich eine Stimme.
»Ich fürchte, zu gründlicher Lektüre wirst du Tage brauchen.«
Verdutzt sah Bob auf und sah einen kleinen Mann in einem altmodischen schwarzen Anzug mit Weste und goldener Uhrkette.
Der Mann hatte ein rundes, rosiges Gesicht und trug eine randlose Brille. Er stand da und lächelte zu Bob herunter. Seine Stimme klang tief, aber liebenswürdig.
»Ich bin Professor Shay vom Historischen Forschungsinstitut«, sagte der kleine Mann. »Mrs. Rutherford hat mir von deinem Interesse am Wrack der ›Argyll Queen‹ berichtet. Uns liegt daran, junge Menschen für unsere Arbeit zu interessieren. Vielleicht kann ich dir eine Menge Lektüre ersparen, wenn du jetzt nur ein paar Tatsachen wissen möchtest.«
»Sie wissen über die ›Argyll Queen‹ Bescheid, Herr Professor?« fragte Bob.
»Es ist nicht mein Fach«, gab Professor Shay zu, »und ich bin auch noch nicht sehr lange hier, aber einer unserer Mitarbeiter hat gerade eine kurze Studie über die ganze Geschichte abgefaßt.
Davon habe ich vieles mitbekommen. Wieviel weißt du denn selbst schon, junger Mann?«
»Ich weiß, daß die ›Argyll Queen‹ ein großer Rahsegler war und 1870 vor Rocky Beach gesunken ist«, sagte Bob rasch, »und daß danach Gerüchte über einen mituntergegangenen Schatz umliefen!«
Der Professor lachte. »Solche Gerüchte über den versunke-nen Schatz gibt es bei jedem Schiff das jemals untergegangen ist, mein Junge. Aber das Datum stimmt.« Der Professor ließ sich auf der anderen Seite des Tisches nieder. »Die ›Argyll Queen‹
war ein vollgetakelter Dreimaster aus Glasgow in Schottland, unterwegs im Gewürz-und Zinnhandel mit Indonesien.
Zuletzt war sie in San Francisco gewesen und auf Südkurs nach Kap Hoorn, auf der Rückreise nach Schottland, doch im Sturm kam sie vom Kurs ab. In einer Dezem-bernacht 1870 lief sie in Strandnähe auf ein Riff. Es war ein fürchterlicher Sturm, und es gab nur wenige Überlebende. Die meisten Männer von der Besatzung versuchten, aus eigener Kraft an Land zu schwimmen, und ertranken dabei. Durch einen glücklichen Umstand sank aber das Schiff nicht sofort. Es überlebten also die wenigen, die bis zum Morgengrauen auf dem Wrack blieben, darunter auch der Kapitän, der natürlich als letzter von Bord ging.«
»Und einen Schatz hat es also nicht gegeben?«
»Ich bezweifle es, junger Mann«, sagte Professor Shay. »Die
›Argyll Queen‹ ist in verhältnismäßig seichtem Wasser gesunken, und gleich damals wurde das Wrack von Tauchern abgesucht und dann noch sehr oft danach. Noch heute tauchen hin und wieder Schatzsucher zum Wrack hinunter. Aber alles, was man je gefunden hat, sind ein paar gewöhnliche Geldstücke aus jener Zeit.« Der Professor schüttelte den Kopf »Nein, ich glaube eher, daß die Gerüchte von einer anderen Tragödie ausgelöst wurden, die sich kurz danach zu-trug und mit der ›Argyll Queen‹ in Zusammenhang zu stehen schien.«
»Noch eine Tragödie, Sir?« fragte Bob aufgeregt. »Und was war das?«
»Einer der Überlebenden, ein schottischer Matrose namens Angus Gunn, siedelte sich unweit von Rocky Beach an. Im Jahre 1872 wurde er von vier Männern ermordet. Alle vier wurden von einer aufgebrachten Menschenmenge gelyncht, ehe sie ein Geständnis über ihr Tatmotiv ablegen konnten.
Aber einer der vier war der Kapitän der
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