Die drei ??? und die singende Schlange
hochwölbte.
»Mrs. Compton?« fragte Justus Jonas.
Die grauen Augen unter den schweren Lidern richteten sich auf das Usambaraveilchen in Justs Händen. »Wie hübsch«, sagte die Frau.
»Es ist ein besonders schönes Veilchen«, erklärte Justus. »Ich komme vom Blumengeschäft Douglas, und der Auftraggeber wünschte, daß es sofort überbracht werden soll.«
Die Frau griff unter ihr Kopfkissen, zog ein Brillenetui hervor und setzte die Brille auf. »Die Karte«, sagte sie. »Gib mir die Karte, bitte.«
Justus stellte die Pflanze auf dem Tisch neben dem Bett ab und reichte Mrs. Compton die Karte. Sie betrachtete sie mit zusammengekniffenen Augen und konnte schließlich lesen: »Mit besten Wünschen für baldige Genesung.« Verwirrt drehte sie die Karte um. »Es ist kein Name drauf«, sagte sie.
Das war Justus wohlbekannt.
»Genau wie das Ding gestern«, sagte Margaret Compton. »Da war auch eine Karte dran, ohne Unterschrift. Eine Schlamperei, die Unterschrift einfach wegzulassen.«
»Vielleicht kann ich helfen«, sagte Justus Jonas. »Der Mann, der den Blumentopf kaufte, war groß und sehr mager. Er hatte schwarzes Haar und war ganz bleich.«
»Hmmm«, machte Mrs. Compton. Sie war offensichtlich am Einschlafen.
Justus suchte nach einem Vorwand, um das Gespräch auf das Thema Schlangen zu bringen. Plötzlich richtete sich Margaret Compton halb auf. »Komisch! Der Mann, der gestern dieses Kobrading brachte, sah genauso aus. Möchte nur wissen, wer . . .
wer . . .«
»Eine Kobra?« wiederholte Justus.
»Ja. Niedliches kleines . . . niedliches . . .«
Wieder sah Mrs. Compton so aus, als wolle sie gleich eindämmern. Rasch hakte Justus ein. »Eine Kobra? Das ist aber ungewöhnlich. Sammeln Sie Schlangen?«
Die grauen Augen öffneten sich wieder. »Nein, nein! Keine richtige Kobra! Es war ein Armreif. Sonst mag ich keine . . .« Sie döste sekundenlang ein.
»Sie mögen sonst keine Schlangenfiguren«, ermunterte Justus.
»Nein. Schlangen finde ich gräßlich. Dieses Ding war aber ganz . . . ganz hübsch. Ich hatte es am Arm. Wenn ich nur wüßte, wer es mir geschickt hat.« Die Hand der Frau streckte sich nach der Schublade im Tischchen aus. »Ich zeig’s dir«, murmelte sie.
»In meiner Tasche.«
Justus zog die Schublade auf und reichte ihr die kleine Hand-tasche, die er innen fand. Sie fingerte am Verschluß herum, öffnete die Tasche und wühlte darin. »Schau ’mal. Ist das nicht . . . ?«
»Sehr interessant«, sagte Justus Jonas. Er nahm den Armreif und drehte ihn in der Hand. Er war wirklich interessant – ein Reif aus goldfarbenem Metall, nicht ganz geschlossen, damit man ihn leichter übers Handgelenk streifen konnte. An einem der freien Enden zierte ein Kobrakopf den goldenen Reif. Die Augen der Schlange bestanden aus eingesetzten winzigen Edelstein-oder Halbedelsteinsplittern. Hinter dem Kopf war das Metall zum geblähten Hals der Kobra ausgewalzt, der mit grünem und blauem Emaille kunstreich verziert war.
Justus fuhr mit dem Finger über die Innenseite des Armreifs. Sie war völlig glatt. »Hatten Sie den Reif gestern bei sich, als Sie Auto fuhren?«
»Ja, am Arm. War das gestern? Es erscheint mir schon so lange her.« Sie wandte den Kopf ab, und ihre Augen schlossen sich.
»So ein Pech«, klagte sie. »Löst sich da einfach ein Rad!«
»Ein Rad löste sich vom Wagen«, sagte Justus. »Und Sie waren durch nichts anderes gestört? War vielleicht etwas im Wagen?«
Sie öffnete die Augen noch einmal. »Etwas im Wagen? Nein. Nur das Rad. Es ging einfach ab. Ich sah es noch vor mir über die Fahrbahn rollen, und dann die Brücke und . . . und . . .«
Hinter Justus raschelte es im Türrahmen. Er drehte sich um und sah die erbost dreinblickende Schwester.
»Ich geh’ schon«, sagte er zu ihr. Er gab Mrs. Compton den Armreif zurück. »Ich hoffe, das Veilchen macht Ihnen Freude«, sagte er leise und verließ das Zimmer.
»Ich sagte doch, du solltest nicht lange bleiben«, schalt die Krankenschwester. »Es tut mir leid«, sagte Justus. »Ich wollte wirklich nur eine Minute lang mit ihr reden.«
Er ging über den Flur zum Aufzug, fuhr ins Erdgeschoß hinunter und lief aus dem Gebäude. »Glück gehabt?« fragte Peter, als Justus wieder beim Lastwagen ankam. »Konnte sie dir helfen?«
»Sehr viel sogar.« Justus kletterte neben Peter auf den Sitz. »Sie hatte die Schlange bei sich.«
»Eine Schlange?« Patrick war verblüfft. »Du meinst, sie hat eine Schlange ins Krankenhaus
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