Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
sie zu sehen, oder aus plötzlicher Freude über seine Heimkehr und die Aussicht, das Interdikt lösen zu lassen, das der Abt von Marmoustiers über ihre Liebe verhängt hatte.
Ihr Tod brachte viel Trauer und Klage, der Herr von Jallanges verlor ganz den Kopf bei dem Anblick, wie man seine Dame in die Erde senkte; er nahm zum Kreuz die Tonsur und wurde Mönch im Kloster von Marmoustiers, von einigen auch Großmünster genannt, maius Monasterium, weil es die größte und schönste Abtei war im ganzen Lande.
Das Königsliebchen
War da in dieser Zeit ein Goldschmied bei der Brücke zu den Wechselbänken, dessen Tochter in ganz Paris als eine außerordentliche Schönheit galt und die mit ihrer anstelligen Art jedermann entzückte. Es wurde ihr darum hofiert von allen Seiten, und manch einer hätte dem Vater noch Geld gegeben, um das hübsche Kind zur rechtmäßigen Frau zu bekommen, was den guten Mann hochmütiger machte, als ich sagen kann.
In der Nachbarschaft wohnte ein Advokat beim Oberhofgericht, der schon soviel Maulgedresch und Geträtsch um gutes Geld verkauft hatte, daß er Landgüter besaß wie ein junger Hund Flöhe. Dieser hatte den Einfall, dem Goldschmied gleich ein ganzes Stadthaus anzubieten, wenn er ihm sein schönes Töchterlein zur Ehe geben wollte. Der Vater willigte in den Handel ein, ohne sich weiter drum zu bekümmern, was für ein Affengesicht unter dem Pelzbarett stak, sowenig wie darum, daß das ganze Gefräß des Aktenwurms nur noch aus zwei Zähnen bestand, die längst wackelten; willigte ein, auch ohne den Paragraphendrescher weiter zu beschnüffeln, der stinkend war wie alle seinesgleichen, die ein Leben lang im Staub modriger Akten und im Unrat schmutziger Prozesse gewühlt haben.
Eine feinere Nase hatte das hübsche Töchterchen.
»Na, ich danke für Obst und Gemüse«, sagte sie, als sie ihn kaum erblickt hatte, und rümpfte ihr zierliches Näschen.
»Papperlapapp!« antwortete der Vater, dem das schöne Haus in die Augen stach. »Er wird dein Mann sein; wie er dir gefallen mag, das ist seine Sache.«
»Steht es so?« erwiderte die Tochter; »nun, er soll noch vorher von mir etwas zu hören bekommen.«
Und noch am nämlichen Abend, nach dem Nachtmahl, als der Freier anfing, sie mit seinen Liebesversicherungen zu bestürmen, und ihr versprach, daß sie ein Leben voll Überfluß haben solle, entgegnete sie ihm kurz und bündig:
»Mein Vater hat Euch meinen Leib verkauft; wenn Ihr den Handel eingeht, werdet Ihr aus mir eine Hure machen. Denn lieber als Euch will ich dem ersten besten angehören, und wie andre ihrem Bräutigam Treue, so schwöre ich Euch Untreue, als welcher nur der Tod ein Ende machen soll – der meine oder der Eurige.«
Dann fing sie an zu weinen und zu schluchzen, zu weinen wie alle Mädchen, die die Liebe noch nicht kennen, denn anders weinen sie nachher.
Der Mann vom Oberhofgericht nahm das für Komödienspiel und Getue, womit hübsche junge Dinger das Feuer ihrer Anbeter noch heftiger anzuschüren und aus der Liebe Münze zu schlagen gedenken in Form von Leibgedingen und andern Garantien und Verschreibungen ehefraulicher Rechte. Er nahm sich also ihr Geheul und Gerede nicht weiter zu Herzen, sondern lachte und fragte nur, wann sie wünschte, daß die Hochzeit sei.
»Meinetwegen morgen«, antwortete sie; »um so eher werde ich frei sein, um mir Liebhaber zu nehmen, soviel ich will, und das lustige Leben derer zu führen, die die Liebe aufheben, wo sie sie finden.«
Und der verliebte Gimpel von Advokat hat nichts eiliger zu tun, als sich zu verabschieden und alle Vorbereitungen zur Hochzeit zu treffen. Er unternimmt die nötigen Schritte vor Gericht, verhandelt in den Sakristeien, kauft die erforderlichen Dispense, verfolgt seine Sache mit einer Eile und Hast, wie er in seinem Leben keinen Prozeß verfolgt hatte, und träumt Tag und Nacht von seiner Schönen.
Unterdessen hörte der König, der von einer langen Reise zurückgekehrt war, an seinem Hofe von nichts reden als von dem schönen Goldschmiedstöchterlein, das dem einen ein Brautgeschenk von Hunderttausend vor die Füße geworfen, einen andern mit Hohnreden heimgeschickt hatte, kurz, keinen haben wollte von all den hübschen Burschen, die gern dem lieben Gott ihren Anteil an der ewigen Seligkeit geschenkt hätten, um das schöne Ungeheuerchen auch nur für einen Tag in ihre Gewalt und ihre Arme zu bekommen.
Solcherlei Reden reizten die Neugierde des Königs, der selber kein
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