Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
einmal soviel zurückbezahlt erhalten, als der Betrag eines einzigen Holzscheits ausmacht. Die Marie behandelte ihn je länger, desto härter. »Nanu«, sagte sie einmal, »könnt Ihr mir's denn wiedergeben, wenn Ihr mir's genommen habt?« Und ein andermal: »Wenn ich so viele hält, Ihr wißt schon was, soviel wie ein Sieb, sollte doch kein einziges für Euch sein, so häßlich finde ich Euch.«
Der gute Alte nahm derartige bäuerliche Redensarten für die goldene Sprache der Tugend und erging sich daraufhin in wohlgesetzten Reden, Schwüren und Beteuerungen. Er sah die elfenbeinernen Türme, diese wohlgebauten festen Vorwerke ihres Herzens, er sah, wie ihre drallen runden Beine sich bei gewissen Bewegungen in der Hülle ihres Röckchens modellierten; er sah noch andres, was imstande gewesen wäre, einem steinernen Heiligen den Verstand zu verrücken, und verfiel rettungslos einer greisenhaften Leidenschaft, einer solchen, die in geometrischer Proportion zu wachsen pflegt, ganz im Gegensatz zur Leidenschaft der Jünglinge, da die Greise mit ihrer Schwäche lieben, die immer zunimmt, und die Jünglinge mit ihrer Kraft, die abnimmt.
Um dem verteufelten Mädchen jeden Grund der Verweigerung zu entziehen, zog der Schloßherr seinen Küfer ins Vertrauen, der so an die Siebzig und darüber hatte, und redete ihm ein, daß er sich eigentlich eine Frau nehmen müsse, die ihm seine alte Haut etwas warm hielte, und daß die Marie so die richtige für ihn wäre. Dieser Küfer, der sich in verschiedenen Diensten seines Herrn nach und nach dreihundert Silbergulden Rente erspart hatte, hegte eigentlich keinen andern Gedanken, als seine alten Tage in Ruhe hinzubringen und die Vordertüre seines Hauses für immer geschlossen zu halten.
Aber da sein Patron ihm zu verstehen gab, daß er ihm einen großen Gefallen täte, wenn er sich so ein wenig verheiraten wolle, die Sorge um seine Frau werde ihm schon abgenommen werden, gab er aus Ehrfurcht und Dankbarkeit seine Zustimmung. So wurde denn der Heiratsvertrag aufgesetzt; und nachdem die tugendhafte Marie, die jetzt um ihr Seelenheil nicht mehr besorgt zu sein brauchte, sich vom Schloßherrn eine gute Mitgift nebst Leibgeding als Preis ihrer Entjungferung hatte verschreiben lassen, also daß ihrer Tugend ganz sicher keinerlei Gefahr drohte, hatte sie nichts mehr gegen den Handel einzuwenden, und lachend versprach sie dem Ungebärdigen, ihm jedes Scheit Holz, das er ihrer Mutter zukommen ließ, in guter Münze heimzuzahlen, da ihm ohnedies bei seinem Alter ein viertel Klafter mehr als genug sein werde. Unter diesen Auspizien wurde Hochzeit gehalten. Und nachdem der Schloßherr sich überzeugt hatte, daß seine Frau unter ihren Bettüchern wohlverwahrt sei, schlich er sich unverzüglich nach der wohlausstaffierten Kammer, die ihn – von seinem treuen Küfer nicht zu reden – schon ein schönes Haus gekostet hatte nebst soundso viel Klafter Holz und soundso viel Malter Weizen, nicht zu vergessen das Leibgeding der Kleinen, das nichts weniger als bescheiden war.
Nun müßt ihr wissen, daß der Schloßherr in der Jungfrau von Thilhouze das schönste Mädchen fand, das man sich nur denken kann und das, vom Schein des Kaminfeuers mit rosigem Licht überhaucht, so herausfordernd und neckisch unter den Bettüchern hervorblinzelte, daß der Alte auch nicht einen Augenblick den hohen Preis für das kostbare Kleinod bedauerte, vielmehr fühlte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief bei dem königlichen Bissen. Er verlor auch keine Zeit, und als ein Ausgelernter ging er nicht wie die Katze erst lang um den heißen Brei herum. Aber er hatte leider das Sprichwort nicht bedacht von dem alten Esel, der aufs Eis geht.
Wie diesem Esel erging's ihm: er strauchelte, rutschte, glitt aus, fiel auf die Nase, kurz, hatte das ganze Handwerk und was sonst zu dem Tanz gehört, rein vergessen. Das gute Ding aber, die Marie, merkte schnell, wieviel die Uhr geschlagen.
»Sehr hoher Herr«, sagte sie, »hat die Messe etwa gar schon angefangen? Ihr müßt etwas stärker läuten, wenn Ihr wollt, daß man's hören soll.«
Durch diese Rede, die sich, ich weiß nicht wie, im Land verbreitete, wurde die Marie Ficquet berühmt, und noch heute sagt man allenthalben: ›Das ist eine Jungfrau von Thilhouze‹, um über eine Neuvermählte zu spotten, deren Verstand länger ist als die Nase ihres Mannes.
Und so nennt man noch heut Ficquet ein Mädchen, wie ich es euch nicht unter die Bettücher
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