Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
ein
Windhund und zugleich von breiten Schultern und stark wie der König Pippin, bekanntlich ein Haudegen ersten Ranges. Der Herr von Schloß Lavallière dagegen war ein wahrhaft goldiger Junge, so ein leckerer Tausendsassa, für den man feine Spitzen und Bänder, seidene Kurzhöschen und durchbrochene Strümpfe ganz expreß hätte erfinden müssen, wenn sie noch nicht dagewesen wären. Sein aschblondes, seidenweiches Haar hätte dem schönsten Fräulein Ehre gemacht, kurz, es war ein Knabe, den gern alle Weiblein zum Spielkameraden gehabt hätten, und eines Tags sagte die Dauphine, nämlich die Kronprinzessin von Frankreich, eine Nichte des Papstes, lachend zur Königin von Navarra, die dafür bekannt war, daß sie einen Spaß vertragen konnte: »Dieser Page«, sagte die Papstnichte, »scheint mir das beste Pflaster für alle Übel«, worüber der hübsche Tourainer, der noch nicht ganz sechzehn zählte, sehr errötete, weil er die drollige Bemerkung für einen hochprinzeßlichen Tadel aufnahm.
Nach der Rückkehr aus Italien gefiel es dem jungen Maillé, sich unverweilt ins warme Nest zu hocken und eine Heirat zu schließen, die ihm seine Mutter in der Person eines Fräuleins von Annebault quasi auf dem Präsentierteller entgegenbrachte. Die junge Frau war eine anmutige Person mit einnehmender Physiognomie und wohlausgestatteter Leiblichkeit; sie besaß in der Rue Barbette ein großes schönes Haus mit feinen Möbeln und italienischen Gemälden und weit im Land eine ganze Anzahl einträglicher Güter. Einige Tage aber nach dem Tod des Königs Franz, von dem das Gerücht ging, daß er an den Folgen der Napolitanischen Krankheit gestorben sei, also daß eine wahre Panik kam über alles Weibliche, weil sich niemand mehr sicher fühlte, die höchsten Prinzessinnen nicht ausgenommen, war der mehrgenannte Maillé gezwungen, den Hof zu verlassen, um jenseits der Alpen im Lande Piemont ein Geschäft von größter Wichtigkeit in Ordnung zu bringen. Ihr könnt euch denken, wie es ihm wenig vergnüglich war, seine junge, leckere, überlebhafte Frau inmitten der Gefahren und Verfolgungen, Fallgruben und Überraschungen dieser galanten Gesellschaft zurückzulassen, wo so mancher kecke Knabe voll frecher Kühnheit gieriger war, über ein armes Weiblein herzufallen, als die Geier über ein Aas oder fromme Christen über einen Schinken, wenn die Fasten vorüber sind.
Der gute Ehemann wußte sich in seiner Eifersucht keinen Rat. Erst zuallerletzt kam ihm der Gedanke, wie er sich der Tugend seiner Frau auch in Ermangelung eines Vorlegeschlosses versichern könne. Hört, wie er es anstellte. Er lud seinen guten Waffenbruder ein, am Tag seiner Abreise in aller Morgenfrühe zu ihm zu kommen. Und als er im Hof kaum den Hufschlag des Herrn von Lavallière hörte, sprang er aus dem Bett, ohne seine zartere und weißere Hälfte zu wecken, die sich noch dem süßen morgendlichen Hindämmern überließ, das allen Feinschmeckern der Faulheit so teuer ist. Lavallière kam auf ihn zu, und die beiden Kameraden, zurückgezogen in die Fensternische, umarmten sich brüderlich.
»Ich wäre auf deinen Ruf schon diese Nacht gekommen«, sprach Lavallière, »aber ich hatte einen Liebesstrauß auszufechten mit einer Dame, die mich in die Arena gerufen. Eine solche Herausforderung abzulehnen ging nicht an, aber ich bin früh aufgebrochen. Willst du, daß ich dich begleite? Ich habe ihr deinen Fall erzählt, und sie hat mir Treue versprochen für die Zeit meiner Abwesenheit. Wenn sie wortbrüchig wird ... ein Freund muß mir mehr gelten als eine Geliebte.«
»Ach, mein Bruder«, antwortete Maillé, aufs tiefste bewegt von diesen Worten, »ich muß deine ritterliche Gesinnung auf eine viel härtere Probe stellen. Willst du, daß ich dir meine Frau auf den Hals lade, willst du sie verteidigen gegen alle und jeden, willst du ihr Führer sein, willst du sie im Zaum halten und mir Bürge sein für meine Ehre? Willst du hier wohnen während meiner Abwesenheit, drin in dem grünen Saal, und der Kavalier sein meiner Frau?«
Der Herr von Lavallière runzelte die Stirne, er sagte:
»Nicht daß ich an dir zweifelte noch an deiner Frau, noch auch an mir, aber Böswillige werden den Fall nutzen und werden unsre Freundschaft verwirren wie einen Knäuel Seide.«
»Da laß mich vor sein!« rief Maillé, indem er Lavallière an seine Brust drückte; »wenn es Gottes Wille sein sollte, daß ich zum Hahnrei werde, so will ich es noch lieber durch dich werden als
Weitere Kostenlose Bücher