Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
durch einen andern. Aber mein ritterliches Wort, ich würde dran sterben. So vernarrt bin ich in meine gute, süße, meine tugendhafte Frau.«
    Bei diesen Worten wandte er sich ab, um vor Lavallière seine Tränen zu verbergen; aber der schöne höfische Mann ließ sich nicht täuschen. Mit festem Entschluß ergriff er die Hand des ritterlichen Freundes.
    »Mein Bruder«, sprach er, »ich schwöre es dir bei meiner Mannesehre, daß ich jedem mein Schwert in die Gedärme stoßen will, der Miene machen sollte, deiner Frau auch nur ein Haar zu krümmen. Solange ich lebe, kannst du sicher sein, sie unberührt wiederzufinden, unberührt am Körper, wenn nicht im Herzen, denn Gedanken und Gefühle liegen nicht in der Gewalt eines Edelmannes.«
    »So werde ich denn«, rief Maillé aus, »auf ewig dein Schuldner sein.« Danach bestieg er sein Pferd und ritt davon, um sich das Herz nicht allzuschwer machen zu lassen von Tränen und Händeringen, die die Frauen bei solcher Gelegenheit einmal nicht lassen können. Lavalière begleitete ihn bis vor das Tor der Stadt, dann kam er in den Palast zurück, wartete geduldig, bis die schöne Frau von Maillé sich aus den Tüchern geschält hatte, und nachdem er ihr die Mitteilung gemacht von der Abreise ihres Herrn Gemahls, versicherte er ihr, zu ihren Diensten zu sein, und benahm sich dabei so fein und höfisch, daß auch die tugendhafteste Frau von dem Wunsche gekitzelt worden wäre, einen solchen Kavalier für immer bei sich zu haben. Aber sein Aufwand von Liebenswürdigkeit wäre nicht einmal nötig gewesen, die Dame zu ködern. Sie hatte natürlich gelauscht, hatte die ganze Unterredung der beiden Freunde mit angehört und fühlte sich nicht wenig verletzt durch das Mißtrauen ihres Mannes.
    Da sieht man nun wieder, wie nichts vollkommen ist außer Gott. Wenn der Mensch glaubt, etwas noch so fein ausgedacht zu haben, irgendeine Dummheit hält sich immer noch darin versteckt. Denn wahrlich, es wäre eine herrliche Wissenschaft des Lebens, jedes Ding, und sollte es auch nur ein Stock sein, am richtigen Ende anzufassen. Hierin aber hat noch keiner ausgelernt. Und der Grund, warum es so schwer ist, es den Damen recht zu machen, beruht darin, daß es in jedem Weibe etwas gibt, das man noch weiblicher nennen könnte als das Weib selber. Und wäre nicht die Achtung, die man den Frauen schuldig ist, würde ich mich hier noch ganz anders ausdrücken. Jedenfalls müssen wir uns hüten, dieses böse Etwas in der Form wach zu machen. Die Aufgabe, eine Frau vollkommen richtig zu behandeln, kann den Mann zur Verzweiflung bringen. Zuletzt bleibt uns nichts übrig nach meiner Meinung, als uns ihnen ganz und gar zu unterwerfen. Das bleibt immer noch die beste Lösung des Rätsels, das die furchtbare Sphinx, die Ehe genannt, uns zu raten aufgibt.
    Die schöne Marie von Maillé war also ganz glücklich über die feine Art und höfischen Ehrerbietungen des Ritters. Aber es lag in ihrem anmutigen Lächeln ein ganz malefizer Zug, nämlich, um es rundheraus zu sagen, die wohllöbliche Absicht, ihren ritterlichen – wie nenn ich's nur gleich – Kleinsiegelbewahrer zwischen der Pflicht und dem Vergnügen in eine größere Verlegenheit zu bringen als den Esel des Buridan zwischen seinen zwei Bündeln Heu und ihm so anzufeuern unter dem Hammer- und Pochwerk seines Herzens, ihm so mit weicher Hand den Bart zu krauen, ihn so mit Blicken in die Enge zu treiben, daß seine Freundschaftspflicht im Feuer des Gottes Amor zergehen und zerrinnen sollte wie Märzenschnee in der Mittagssonne.
    Die Umstände kamen ihrer löblichen Absicht aufs beste entgegen, denn der Herr von Lavallière war durch sein Wort gehalten, in ihrem Palast zu wohnen, also daß ein häufiges Zusammensein der beiden gar nicht vermieden werden konnte. Und da nichts in der Welt eine Frau von dem abbringen kann, was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hat, ließ die Äffin keine Gelegenheit vorübergehen, den Ahnungslosen gehörig einzuspinnen.
    Bald hielt sie ihn bei sich am Feuer des Kamins bis über Mitternacht hinaus zurück und sang ihm dabei nicht nur verliebte Liedchen vor, sondern reizte ihn auch mit ihren entblößten Schultern und was sonst noch Weißes und Rundes in der Nähe leuchtete und lockte. Blicke warf sie ihm zu, heißer als das Feuer des Herdes, und alles das in einer Art, als ob sie nicht im geringsten an das dächte, was doch einzig und allein ihr ganzes Denken ausfüllte.
    Bald mußte er sie auf einem Morgenspaziergang im

Weitere Kostenlose Bücher