Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
erklärten Freundinnen des Herrn von Lavallière seien und daß er wenigstens eine davon, wahrscheinlich die schöne Limeuil, bis zur Verrücktheit lieben müsse.
Nun hatte sie einen neuen Grund, nämlich die Eifersucht, alles daranzusetzen, ihren Tugendwächter zu verführen, gegen den sie aber durchaus nichts Böses im Schild führte, dem sie das Haupt nicht abschlagen, sondern vielmehr mit Rosen bekränzen, mit Wohlgerüchen salben und mit Küssen bedecken wollte.
Sie war ohne Zweifel hübscher, jünger, appetitlicher, zierlicher als ihre Nebenbuhlerin; wenigstens konnte sie es sich hinter ihrer schmalen Stirne nicht anders denken. Und also fühlte sie sich angetrieben von allen moralischen und physischen Beweggründen, die je eine weibliche Natur bewegt und angetrieben haben, einen neuen verstärkten Angriff auf das Herz des Ritters zu machen. Denn eine richtige Dame erobert am liebsten, was am stärksten befestigt ist.
Sie wurde nun ganz und gar zur Katze, rieb sich gegen ihn, sooft sie nur konnte, ging ihm um den Bart, kurz, spann ihn so ein, daß er weichmütig und zahm wurde wie ein Täubchen, und eines Abends, als sie die schwärzeste Melancholie und Traurigkeit heuchelte, während in Wahrheit ihr Herz frohlockte, fiel der strenge Zionswächter richtig auf ihre List hinein und fragte, was ihr fehle.
Mit schwärmerischem Augenaufschlag und mit Worten, die dem guten Ritter eingingen wie Zuckerbrot, antwortete sie, daß sie Maillé gegen ihren Willen geheiratet habe und daß sie sehr unglücklich sei, daß die Seligkeiten der Liebe ihr ganz unbekannt, daß ihr Mann ein Tölpel sei in diesen Dingen und daß sie seit Jahr und Tag ihr Bett mit Tränen netze. Kurz, sie ließ den guten Ritter glauben, daß sie fast vollkommen Jungfrau geblieben, im Herzen und sonst, und daß sie von der ganzen Sache bis jetzt nur Ekel und Enttäuschung gehabt habe. Und dennoch müsse, sagte sie, viel des Süßen und Seligen darin verborgen liegen, da alle Damen danach laufen, sich voll Eifersucht darum raufen, nicht davon lassen können und vielen unter ihnen kein Preis zu hoch dafür ist: weswegen ihr denn selber das Herz so von Neugierde und Verlangen angeschwollen sei, daß sie für eine einzige Nacht der vollkommenen Liebe ihr Leben hingeben und für immer und ohne Murren die unterwürfigste Sklavin ihres Freundes sein wolle; während leider derjenige durchaus nichts von ihr wissen wolle, mit dem sie die leckere Sache am liebsten erleben möchte, obwohl doch, bei dem unbegrenzten Vertrauen ihres Gemahls zu ihm, das süße Spiel zwischen ihnen beiden ein ewiges Geheimnis bleiben könnte; derohalb sie am liebsten gleich sterben möchte, wenn der Grausame in seiner Härte verharre.
Ein jeder Satz dieses kleinen Kantus, den alle Damen bereits kennen, wenn sie auf die Welt kommen, wurde mit wohlberechneten Kunstpausen aufgehöht, wurde unterbrochen mit Seufzern aus tiefster Seele, wurde illustriert mit Händeringen, mit Anrufungen heiliger Namen, mit schmerzlichen Blicken nach oben, mit errötendem Augenniederschlag, sooft es angebracht schien, mit Verzweiflungsgebärden, wie um sich die Haare auszuraufen, kurz, mit all den Grimassen und Mimiken, die die Komödie vorschreibt. Und da hinter ihren Reden sich das leidenschaftliche Verlangen barg, das selbst dem Häßlichen einen Anhauch von Schönheit gibt, fiel der Ritter überwältigt zu ihren Füßen, umfaßte sie, küßte sie und weinte bitterlich.
Ihr könnt euch denken, daß die Dame sich keine sonderliche Mühe gab, ihre Füße seinen Küssen zu entziehen, ja, daß sie gar nicht darauf zu achten schien, was er im Begriffe stand, mit ihr vorzunehmen, auch der Unordnung ihres Gewandes nicht im geringsten achtete; denn natürlich wußte die gute Frau, daß es Verrichtungen gibt, wobei man von unten anfangen muß ...
Aber es stand geschrieben, daß sie für diesen Abend tugendhaft bleiben sollte. Der schöne Lavallière erhob sich plötzlich und sagte mit dem Tone höchster Verzweiflung: »Verehrte Frau, ich bin ein Unglücklicher, ein Unwürdiger!«
»Was kommt Euch an?« fragte sie.
»Ach!« rief er, »das Glück, Euch zu gehören, ist mir untersagt.«
»Wieso?«
»Ich wage es nicht, Euch von der Sache zu sprechen.«
»Ist es etwas so Schlimmes?«
»Ihr würdet vergehen vor Scham«, antwortete er.
»Sagt immer«, entgegnete sie; »ich werde mir das Gesicht mit den Händen bedecken.«
Und die Schlaue maskierte sich mit ihrer weißen Hand, aber so, daß sie durch ihre
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