Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Garten begleiten, und dabei stützte sie sich, mehr als sie es gerade nötig hatte, auf seinen Arm, drückte sich eng an ihn, seufzte und ließ sich jeden Augenblick ihre Stiefelchen von ihm schnüren, die die Gefälligkeit hatten, immer wieder von neuem aufzugehen.
    Dann bezauberte sie ihn mit herzig lieben Worten und den tausend Dingen, den tausend kleinen Besorgtheiten und Aufmerksamkeiten für den Gast, worauf die Damen sich so gut verstehen. Sie kam, um nachzusehen, ob er auch alle Bequemlichkeiten um sich habe, ob das Bett sorgfältig gemacht, das Zimmer sauber und gut gelüftet, ob er bei Nacht nicht dem Zug ausgesetzt und bei Tag nicht von der Sonne molestiert sei; sie bat ihn, ihr nichts zu verheimlichen in seinen kleinsten Bedürfnissen und Wünschen, sie sagte:
    »Seid Ihr vielleicht gewohnt, morgens im Bett etwas zu Euch zu nehmen, etwa ein Glas Met oder Milch oder Pfefferkuchen? Seid Ihr auch mit dem Essen ganz zufrieden, ich möchte jeden Eurer Wünsche wissen. Ihr müßt mir alles sagen, Ihr dürft nicht schüchtern sein, Ihr müßt verlangen, was Euch ansteht. Wie kann ein Ritter schüchtern sein, geht!«
    Sie hatte dabei die einschmeichelndsten Manieren; wenn sie ins Zimmer trat, sagte sie:
    »Da komme ich schon wieder, Euch zu belästigen, aber schmeißt mich nur hinaus, Ihr seid hier der Herr ... ich gehe auch schon wieder ...«
    Und natürlich wurde sie stets auf die verbindlichste Art eingeladen zu bleiben.
    Immer kam sie im leichtesten Morgengewand und war nicht geizig, ihm die zierlichsten Musterproben ihrer Schönheit vor die Augen zu bringen, daß selbst ein Patriarch, der nicht mehr Lebenssäfte übrig gehabt hätte als der Herr Methusalem in seinem neunhundertneunundsechzigsten Jahr, von dem Anblick lüstern geworden wäre.

     
    Sie hatte es aber mit einem feinen Kumpan zu tun, oh! fein wie Seide. Der ließ das alles über sich ergehen und war wohl zufrieden, daß das schöne Weib sich so um ihn bemühte, gereichte ihm doch alles nur zu seinem Vorteil; aber als ritterlicher Freund brachte er stets und unverbrüchlich die Rede auf den abwesenden Gemahl.
    Und so eines Abends, nach einem heißen und schwülen Tag, als es dem Ritter fast angst und bang wurde vor den Blicken der Dame, begann er davon zu reden, wie sehr Maillé sie liebe und welch ein Mann von Ehre er sei, ein hitziger Edelmann, voll Feuer für sie und gar kitzlig im Punkt seiner Ehre.
    »Wenn er so kitzlig ist«, antwortete sie, »warum hat er denn Euch da hereingesetzt?«
    »Aus höchster Vorsicht«, erwiderte er; »war es denn nicht Klugheit, Euch einen Verteidiger Eurer Tugend an die Seite zu stellen? Nicht weil Eure Tugend ihn nötig hätte, sondern um Euch zu bewahren vor üblen ...«
    »Ihr seid also mein Hüter?« unterbrach sie ihn.
    »Und bin stolz darauf«, rief Lavallière.
    »Ich finde seine Wahl recht ungeschickt«, lachte sie.
    Und diese Worte begleitete sie mit einem so lüsternen, ja frechen und herausfordernden Blick, daß der redliche Waffenbruder, um sie zu strafen, sich kühl zurückzog und die Schöne mit sich allein ließ, aufs höchste gereizt und voll Ärger über diese stumme Abweisung ihres Liebesgeplänkels.
    Sie wurde nachdenklich und bemühte sich, der Sache auf den wahren Grund zu kommen. Denn keine Dame wird in ihrem Köpfchen je begreifen, daß ein ordentlicher Edelmann jene gewisse Kleinigkeit verachten könne, die doch in der ganzen Welt einen so hohen Preis hat; aber ihre Gedanken verwickelten und verwirrten sich derart, und so verhäkelte sich einer in den andern, und zwar um so mehr, je länger sie daran weiterspann, daß nichts dabei herauskam, als daß sie sich immer tiefer in ihre eigene Leidenschaft verstrickte, woraus denn die Frauen die Lehre entnehmen mögen, nie mit den Waffen des Mannes (als welche die Gedanken sind) zu spielen und nie Pech kneten zu wollen, weil ihnen davon immer etwas an den Händen kleben wird.
    Zuallerletzt kam die schöne Marie Maillé auf einen Gedanken, von dem man sich wundern muß, daß er ihr nicht zuerst eingefallen ist: nämlich sie dachte, daß der gute Ritter sicher nur dadurch ihren Fallstricken und Leimruten entgehen konnte, weil er schon von einer andern eingefangen war, und indem sie allenthalben umhersuchte, wo etwa der schöne Hausgast sich in die Frucht verbissen haben könne, die er bei ihr verschmähte, kam sie zu dem Ergebnis, daß gar die drei Töchter der Königin Cathérine, die Damen genannt von Nevers, von Estrées und von Giac, die

Weitere Kostenlose Bücher