Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
Erscheinung‹.
Der Herzog von Burgund, genannt Ohnefurcht, dem eines Tags vor seinem Tode der Graf von Hocquetonville sein schweres und bekümmertes Herz ausgeschüttet und der sich sonst nicht leicht weichmachen ließ von menschlichen Dingen, hat dennoch öfter bekannt, daß ihn diese Grabschrift einen ganzen Monat lang traurig gemacht habe und daß unter den Scheußlichkeiten seines Vetters von Orleans eine sei, für welche er, der Burgunder, wenn es möglich wäre, diesen Unmenschen von neuem töten würde, der das Gift des Lasters in ein Gefäß göttlichster Tugend geträufelt und zwei edle Herzen vergiftet hatte, das eine durch das andre. Er dachte bei diesen Worten an die Dame von Hocquetonville, aber auch an die seinige, deren Bildnis von dem frechen Vetter in demselben Kämmerlein aufgehängt worden war, wo er auch die Bilder seiner Huren aufzuhängen pflegte.
Die ganze Geschichte hatte etwas so Verruchtes, daß der Thronfolger Ludwig, nachheriger König Ludwig der Elfte, dem sie vom Grafen von Charolais erzählt wurde, seinem Sekretär verbot, sie in seine Sammlung der ›Hundert Neuen Historien ‹ aufzunehmen, aus Rücksicht auf seinen Onkel, den Herzog von Orleans, und dessen Bastard Dunois, der ihm ein alter Freund und Gesellschafter war. Aber die Persönlichkeit der Dame von Hocquetonville ist so schön im Licht ihrer Tugend und von so melancholischer Liebenswürdigkeit, daß man die Aufzeichnung ihrer Historie an diesem Ort verzeihen wird, trotz der teuflischen Erfindung und Rache des mehrfach genannten Herzogs von Orleans.
Das gerechte Ende dieses Lüstlings hat übrigens mehrere große Kriege verursacht, denen erst Ludwig der Elfte mit der Macht seines Schwertes ein Ende setzte.
Aus dieser Geschichte sehen wir, daß nichts geschieht in Frankreich und anderwärts, wo nicht das Weib im Spiel ist, und außerdem, daß wir für unsre Verbrechen früher oder später teuer bezahlen müssen.
Die Hochzeit des Mönchs
Der Edle von Moncontour, ein alter Tourainer Kriegsmann, ließ zum Andenken an die Schlacht, die der Herzog von Anjou, der nachmalige glorreiche König von Frankreich, gewann, das Schloß Vouvray bauen, von dem er selber den Namen annahm. Solche Gunst gewährte ihm der König, weil er sich in der genannten Schlacht vor vielen andern ausgezeichnet und dabei den gefürchtetsten aller Ketzer mit eigner Hand erschlagen hatte. Dieser verdienstvolle Kriegshauptmann erfreute sich zweier Söhne, sie waren beide gute Katholiken und der ältere in hoher Gunst bei Hofe. Während des Waffenstillstands, der dem berühmten Anschlag in der Nacht von St. Bartholomäi voranging, kam der genannte Krieger nach langer Zeit wieder einmal auf sein Schloß, das damals noch eine finstere Burg war und noch nicht das Aussehen darbot wie heute. Hier empfing ihn die traurige Nachricht von dem Tode seines ältesten Sohns, der in einem Zweikampf mit dem Edlen von Villequier gefallen war. Diesen Tod empfand der arme Vater um so schmerzlicher, als die Verheiratung des genannten Sohns mit einer Tochter aus dem Hause Amboise bereits als ein abgemachter Handel gelten konnte. Der plötzliche Todesfall bedeutete für ihn ein ungeheures Unglück. Alle Vorteile für seine Familie, die er zu einer mächtigen Dynastie zu erheben gedachte, kurz, seine stolzesten Hoffnungen sanken mit diesem Sohn ins Grab; denn aus den gleichen ehrgeizigen Absichten hatte er seinen zweiten Sohn in ein Kloster gesteckt und seine Leitung und christliche Erziehung einem Manne übertragen, der für einen Heiligen galt. Aus diesem zweiten Sohn wollte der väterliche Ehrgeiz zum wenigsten einen Kardinal machen. Nach der Weisung des Vaters hielt der heilige Mann, der der Abt jenes Klosters war, den jungen Mann in besonderer Zucht und Aufsicht; er ließ ihn in seiner eignen Zelle schlafen, behütete ihn streng vor jedem bösen Gedanken und erzog ihn in vollkommener Reinheit und Zerknirschung des Herzens, die einem jeden Priester zu wünschen wäre. Mit zwanzig Jahren kannte der junge Kleriker noch keine andere Liebe als die Liebe Gottes und keine andere Vertrautheit als die mit den Engeln, die nichts haben von unsern Fleischlichkeiten und die also auch keinen schlechten Gebrauch davon machen können und, ob es ihnen gefällt oder nicht, in ewiger Reinheit leben müssen. Der König da oben in den himmlischen Reichen hat wohl gewußt, was er tat; er wollte ein fein ordentliches Hausgesinde haben, und wie seine Pagen beschaffen sind, können sie
Weitere Kostenlose Bücher