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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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nicht wie die unsrigen in der Kneipe herumpokulieren und heimlich in liederliche Häuser schleichen, und er ist darum vortrefflich bedient; er hat eben gut lachen, er ist der Herr über alles.
    Um aber auf den Herrn von Moncontour zurückzukommen. Dieser sah jetzt keinen andern Ausweg in seiner hochstrebenden Familienpolitik, als den nachgeborenen Sohn aus dem Kloster zu nehmen und ihn mit Verzicht auf den Purpur der Kirche in den Harnisch und das Höflingsgewand seines Bruders zu stecken, alles zu dem Zweck, ihn mit der hinterlassenen Braut des andern zu verheiraten, wozu sich ohnedies das wohlbewahrte Mönchlein, das ganz in Enthaltsamkeit groß geworden war, besser eignen mußte als der Verstorbene, den die Damen des Hofs bereits übel zugerichtet hatten. Das entkuttete Kuttenmännlein, dem der Gehorsam zur zweiten Natur geworden, fügte sich denn auch ohne Widerspruch in den geheiligten Willen des Vaters und willigte in die vorgeschlagene Heirat, ohne eine Ahnung davon zu haben, was das für Dinger sind, die man Frauen oder gar Mädchen nennt.
    Durch die Kriegsunruhen der Zeit wurde seine Reise nach dem väterlichen Schloß mehrmals verhindert, und so wollte es der Zufall, daß der entmönchte Jüngling, der aber mönchischer war als hundert Mönche, just am Vorabend seiner Hochzeit, für welche der Vater in der erzbischöflichen Kanzlei zu Tours die nötigen Dispense längst gekauft hatte, auf dem Schloß von Moncontour ankam.
    Hier ist ein Wort über die Braut zu sagen. Ihre Mutter, die Herzogin von Amboise, war seit langer Zeit Witwe und wohnte in dem Haus des Herrn von Braguelongne, eines Polizeirichters am Chastelet zu Paris, dessen Frau ihrerseits mit einem Herrn von Lignières zusammenlebte. Das war eigentlich eine skandalöse Geschichte; aber zu jener Zeit hatte jedermann viel zuviel Balken im eigenen Auge, um sich um die Splitter im Auge seines Nächsten zu kümmern. Alles befand sich damals ein wenig auf der breiten Straße, die ins Verderben führt, ohne daß einer sich über den andern wunderte; nur im Tempo unterschieden sie sich, bei den einen ging's im Trab, bei den andern im Galopp, bei den wenigsten im langsamen Schritt, der sich auf einer so abschüssigen Straße schnell verlernt. Noch selten hat dem Teufel der Weizen so üppig geblüht. Das Laster machte sich breit auf offenem Markt. Die alte Dame Tugend hatte sich schaudernd, man wußte nicht wohin, zurückgezogen; man fand sie nur noch hie und da in der Gesellschaft ehrbarer Frauen, mit denen zusammen sie ihr kümmerliches Dasein fristete.
    In dem sehr edlen Hause von Amboise gab es aber noch eine verwitwete Altherrin, die sich nach ihrem Witwensitz von Chaumont nannte, eine der tugendsamsten Frauen ihrer Zeit, in der die christliche Sittenstrenge und der Adel dieser berühmten Familie noch allein lebendig waren. Diese Großmama hatte die Enkelin, nämlich eben die genannte Braut des Herrn von Moncontour, von ihrem zehnten Jahre an zu sich genommen und unter ihren Augen erziehen lassen, was der Mutter des Mädchens, der Herzogin von Amboise, äußerst willkommen war; sie konnte sich nun ihrem vergnüglichen Leben nur um so mehr überlassen und begnügte sich damit, ihre Tochter alle Jahre einmal zu besuchen, wenn gerade der Hof in der Gegend vorüberkam. Trotz ihres wenig mütterlichen Verhaltens wurde sie jetzt zur Hochzeit ihrer Tochter geladen und mit ihr der Herr von Braguelongne; denn der alte Moncontour, der sein Leben in Feldlagern zugebracht, wußte doch, was sich schickte.
    Nicht nach Moncontour aber kam die Altherrin von Chaumont, weil ihre Gicht, ihr Rheuma und der Zustand ihrer geschwollenen Beine eine solche Reise nicht erlaubten. So mußte sie also das edle Jungfräulein, ihr Pflegekind, das schön war, wie nur ein hübsches Mädchen schön sein kann, allein hinausziehen lassen in die Gefahren der Welt und des Hoflebens, worüber sie bitterlich weinte, und blieb ihr ferner nichts übrig, als für das Glück der Kleinen zu beten und Messen und Oratorien haufenweise für sie abhalten zu lassen. Ein Trost war es ihr zu wissen, daß der Verlobte des geliebten Kinds, das bis jetzt der Stab ihres Alters war, von seinem Abt, den sie kannte, zu einem fast heiligen Manne erzogen worden, woraus sie für die Eheleute ein gutes Omen entnahm.
    Unter heißen Tränen umarmte sie das Bräutchen und gab ihr noch die letzten Ermahnungen, wie Frauen in solchen Fällen pflegen, mit auf den Weg, als besonders: ihrer Frau Mutter Ehrfurcht zu erweisen

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