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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Gaudium zu machen. Von solchem Stoff war dieser verfluchte Patron.

     
    Es wurde aber in solch bedrängter Lage unsre glorreiche Abtei von einem Abt regiert, der in Wahrheit das Leben eines Heiligen führte, immer im Gebet auf den Knien lag und wahrlich weniger Mühe hatte, so fromm war er, seine Seele vor den Nachstellungen des Teufels als die Gerechtsame seiner Abtei vor den Krallen des Junkers zu retten. Der gute alte Mann sah wohl die verzweifelte Lage, aber er wußte nicht zu raten und zu helfen; er setzte dafür all sein Vertrauen in Gott und sagte oft, daß man an Gottes Hilfe niemals verzweifeln dürfe, der mächtig genug sei, um die Güter der Kirche gegen Räuber und Bösewichter zu verteidigen. Und wie er dem Volk der Juden die Prinzessin Judith und den Römern die Königin Lukretia erweckt hat, um sie zu erretten aus Not und Bedrängnis, so wird er auch, meinte der Abt, seine geliebte und glorreiche Abtei Turpenay, wenn Not an Mann gehe, nicht im Stiche lassen. Mit solchen und andern frommen Reden tröstete er sich. Aber die Mönche, zu unsrer Schande muß ich das gestehen, waren ungläubige Zweifler und machten dem Abt die heftigsten Vorwürfe wegen seines langen Gleichmuts oder immer gleicher Langmut; sie pflegten zu sagen, daß man gut tue, alle Ochsen des Tourainer Lands an den Wagen der Vorsehung zu spannen, wenn man nicht wolle, daß sie im Dreck steckenbleibe; ferner, daß sie keine Fabrik wüßten, wo man Posaunen Jerichos verfertige, und daß der liebe Gott seine Schöpfung, mit der er wenig Freude erlebt, längst dem Teufel überlassen habe, und was dergleichen ärgerliche und gotteslästerliche Worte mehr waren.
    In diesen Zeiten der Bedrängnisse und Widerwärtigkeiten lebte ein Mönch in unserm Kloster mit Namen Amador. Das war eigentlich ein Spitzname. Die Brüder nannten ihn so, weil er nach Gestalt und körperlichem Aussehen das leibhaftige Konterfei des falschen Gottes Bacchus darstellte. Wie dieser Heidengott war er ein fetter Wanst und Plumpsack mit kurzen stämmigen Schenkeln, mit Armen so haarig wie die eines Henkers, mit den Schultern und dem Rücken eines Lastträgers, mit einem Gesicht so rot wie die Nase eines Trunkenbolds, mit kleinen funkelnden Äuglein, die im Fette schwammen, mit ungekämmtem Bart, mit hoher, kahler Stirne. So sehr war sein Wanst mit Fett ausgepolstert, daß man glauben konnte, er ginge mit einem Kinde schwanger. Er las die Frühmetten auf den Stufen der Kellertreppe, und die Vesper sang er im Weinberge des Herrn. Wie ein schwäriger Bettler erhob er sich oft den ganzen Tag nicht von seinem Lager oder strich wie ein Vagabund und Taugenichts im Felde umher, schüttelte die Apfelbäume in den Obstgärten, mauste Trauben in den Weinbergen, strich den Bauernmägden nach in Ställen und Scheunen, und wo es eine Hochzeit gab, stellte sich sicher der Bruder Amador ein.
    Alle Verbote des Herrn Abtes erwiesen sich als fruchtlos; Bruder Amador war und blieb ein Geilhart, ein Strauchdieb, ein Schnapphahn, kurz, ein ganz schlechter und nichtsnutziger Soldat der heiligen Ecclesia militans, um den sich zuletzt in der Abtei niemand mehr kümmerte und den man teils aus christlicher Barmherzigkeit, teils auch, weil man ihn nicht für ganz richtig im Kopfe hielt, in seinem taugenichtsigen, aberwitzigen Treiben gewähren ließ.
    Als nun dieser Amador sah, daß es der Abtei an den Kragen gehen sollte, in der er sich wohl fühlte wie eine Ratte in ihrem Kellerloch, wurde er unruhig, stahl sich heimlich von einer Zelle in die andre und horchte auf die Reden der Brüder im Refektorium. Er geriet in Wut über das, was er hörte, und erklärte zuletzt, daß er sich wohl zutraue, die Abtei zu retten. Ließ sich also die strittigen Punkte auseinandersetzen, vom Abt die nötigen Vollmachten erteilen und die erledigte Stelle des Subpriors versprechen, wenn er den Prozeß zu einem guten Ausgang führe; dann machte er sich auf den Weg, ohne Sorge und Angst wegen der Grausamkeiten und Mißhandlungen des Herrn von Candé. Er versicherte, daß er mit dem, was er in seiner Kutte trage, den Wüterich oder Wüsterich in kurzer Frist kleinlaut machen wolle. Zog also dahin zu Fuß und ohne jede Wegzehrung, außer seiner Kutte, die allerdings so fett war, um einen Minoriter hinlänglich zu nähren.
    Es war aber, als er sich gegen Candé aufmachte, ein Tag, an dem es schüttete wie mit Kübeln, und ohne einer Menschenseele zu begegnen, kam er vor das Schloß. Wie ein nasser Hund schlich er sich in

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