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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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hervorkommt...«
    Und immer so fort; denn sie wußte von dem Spiel mehr als der Richter selber, der lachen mußte, um sich den Bauch zu halten, so gut spielte sie ihre Rolle, so belustigende und possierliche Gesichter machte sie dazu, wenn sie mit der Fadenspitze vorstach und wenn sie wieder zurückwich, ihm immerfort vor der Nase hin und her. Und so lange und so unermüdlich trieb sie's, bis seine Hand müde wurde, bis er nicht mehr konnte vor Lachen und Anstrengung und sich einen Augenblick ausruhen mußte, indem er sich am Rand des Tisches anlehnte... Aber da war's auch schon geschehen. Mit Blitzesschnelle hatte das geschickte Dirnlein sein Fadenende in die Öse gestoßen.
    »Seht Ihr«, rief sie triumphierend, »so ist es zugegangen!«
    »Du hast mich übertölpelt!« sprach der Richter.
    »Er mich auch!« antwortete die Schöne.
    Und also überführt und kleinlaut gemacht, versprach der Richter dem Mädchen, mit dem Herrn Kämmerer zu reden und ihre Angelegenheit zu betreiben, da es denn offenkundig sei, daß er ihr wider ihren Willen Gewalt angetan und darum auch willig sein werde, die Sache in Güte beizulegen. Er ging denn auch am andern Tag an den Hof und trug dem königlichen Kämmerer die Klage des Mädchens vor, so wie sie ihm den Fall erzählt hatte.
    Diese richterliche Klage machte dem König viel Spaß; er fragte seinen Kämmerer, der sich für schuldig bekannte, ob die Sache schwer gegangen sei, und als dieser harmlos erwiderte, sie habe ihn keine geringe Mühe gekostet, entschied der König, daß die lustige Vergewaltigung, wenn vielleicht auch nicht gerade tausend, so doch hundert Goldgulden unter Brüdern wohl wert sei, die der Kämmerer, um nicht in das Geschrei eines Schmutzians zu kommen, mit guter Miene dem Richter einhändigte, damit sie für die Wäscherin auf Zinsen gelegt würden.
    Damit begab sich der Richter nach Portillon und meldete seiner Schönen, daß er nicht nur hundert Goldgulden für sie erhoben habe, sondern daß ihr auch der Rest von den tausend ebenfalls zur Verfügung stände. Beim König befänden sich augenblicklich einige Herren, die von ihrem Fall gehört und sich bereit erklärt hätten, sie in jedem Sinn zu befriedigen. Die hübsche Dirne schlug dieses Anerbieten nicht aus, sie sagte, um den Preis, die schmutzige Wäsche der andern nicht mehr waschen zu müssen, wolle sie gern die eigne ein wenig schmutziger haben. Darauf bezahlte sie freigebig den gefälligen Richter und ging dann hin und gewann ihre tausend Goldgulden in weniger als einem Monat.
    Seit dieser Zeit wurde die schöne Wäscherin arg verleumdet. Aus den zehn Herren vom Hofe machte das Gerücht über kurz oder lang hundert; sie aber, nachdem sie die tausend Goldgulden gewonnen, bekehrte sich im Gegensatz zu andern leichtsinnigen Dirnen zu einem vernünftigen und gesetzten Lebenswandel, daß sogar ein Graf, der nicht wenigstens fünfhundert Taler geboten hätte, von ihr rund abgewiesen worden wäre, was beweist, daß sie haushälterisch mit ihrer Sache umzugehen verstand. Es ist auch richtig, daß der König sie eines Tags, vielmehr eines Nachts, in seine private Wohnung an der Rue Quincangrogne beim Maifeld in Chardonneret kommen ließ; er fand sie hübsch und voller Schalkhaftigkeit, hatte viel Lust an ihr und gab Befehl, daß sie in keiner Weise von seinen Polizeisoldaten belästigt werde. Aber Nicole Beaupertuys, die gute Freundin des Königs, die wohl sah, daß die Portillonerin schön war, gab ihr hundert Tourainer Gulden und schickte sie damit nach Orleans, um nachzusehen, ob daselbst das Wasser der Loire von der gleichen Farbe wäre wie in der guten Stadt Tours. Das hübsche Mädchen erfüllte diesen Wunsch um so lieber, als sie sich einen Spauz aus dem König machte.
    Sie beichtete später einem heiligen Manne, dem nämlichen, der auch der Beichtvater des Königs war und seitdem kanonisiert worden ist, reinigte aufs peinlichste ihr Gewissen und stiftete ein Bett für die Leprosenanstalt zu Sankt Lazarus bei Tours. Mehr als eine große Dame, die ihr recht gut kennt, hat sich von mehr als zehn Herren vom Hof freiwillig vergewaltigen lassen, ohne an ein andres Bett zu denken als ihr eignes. Dieser Zug mußte berichtet werden, um die Ehre des guten Kindes reinzuwaschen, die so viel schmutzige Wäsche der andern rein gewaschen hat und als ein Schalk und durchtriebener Vogel seither eine gewisse Berühmtheit gewann. Ein Beweis ihres Verdienstes ist ihre Verheiratung mit Meister Taschereau, den sie auf die

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