Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
nicht, aber ich weiß, dass wir schneller sein müssen
als das dort oben.«
»Was
machen wir mit ihm?« Lavinia
zeigte zitternd hinter sich
auf die Leiche.
»Bist
du noch ganz dicht? Renn! Oder willst du ihn auf deinen Schultern
mittragen?«, schrie Nadia. Wie konnte sie nur in solch einer
Situation derart viele Fragen stellen?
Lavinia
nickte, und beim dritten Poltern, bei denen sogar die Fensterscheiben
splitterten, rannte sie los, Nadia direkt hinter ihr.
Sie
wagte es nicht, sich umzudrehen. Sie wollte nicht wissen, was ihnen
folgte. Plötzlich sauste ein riesiger Ast herab und hätte
Lavinia, die gerade noch ausweichen konnte, beinahe erschlagen.
Solange sie
auf dem Pfad entlangsprinteten, hatten sie noch eine Chance. Hier war
der Untergrund wenigstens eben.
Das,
was sie verfolgte, dachte offensichtlich dasselbe. Jäh rollte
ein riesiger Fels auf den Weg und sperrte ihren Fluchtweg ab.
Lavinia
wich ihm aus und rannte in das dunkle Gebüsch. Nadia folgte ihr
hechelnd. Im Gebüsch kamen sie kaum noch voran. Überall
zerrten Büsche und Äste, die wie kleine Arme aussahen, an ihren
Klamotten.
Lavinia
schrie auf. Etwas hatte sie wohl ins Gesicht geschlagen. Doch sie
rannte tapfer weiter. Überall hagelten Äste und Waldfrüchte
auf sie nieder.
Nadia
schossen Tränen in
die Augen, als ein riesiger Tannenzapfen auf ihren Kopf schlug,
zusammen mit kleinen Spinnen und anderem Krabbelgetier, das sie biss
und piesackte.
Es
war, als würde die Erde beben. Die Wurzeln der Bäume unter
ihnen schlängelten sich plötzlich um ihre Füße
und versuchten sie festzuhalten. Nadia geriet ins Stolpern und konnte
sich mehrere Male gerade noch abfangen. Es war, als habe der Wald
eine unglaubliche Wut auf sie.
Lavinia
wechselte die Richtung und Nadia war sich nicht sicher, ob sie
wusste, wo sie hinlief. Sie hatte bereits die Orientierung verloren.
Alles war dunkel und überall schossen ihnen Tannenzapfen,
Kastanien und Äste um die Ohren. Etwas Spitzes stach ihr in den
Arm. Ohne hinzusehen, riss sie es sich heraus und rannte weiter.
Warme feuchte Flüssigkeit tropfte ihr von der Stirn, ob Blut
oder Schweiß interessierte Nadia nicht.
Lavinia
geriet ins Taumeln und fiel auf den breiten Kiesweg.
Nadia
kam neben ihr zum Stehen. Sie wollte ihr aufhelfen, als plötzlich
alles um sie herum still wurde. Das Tosen des Waldes hatte aufgehört,
nur ihr unregelmäßiger Atmen war zu hören.
»Hat
es aufgehört?«, fragte Lavinia flehend.
Nadia
konnte sich nicht vorstellen, dass der Wald plötzlich die Jagd
aufgab. Sie waren immer noch mittendrin, nur dass über ihren
Köpfen wieder der Sternenhimmel zu sehen war.
Lavinia
erhob sich von dem eisbedeckten Weg. Gerade noch rechtzeitig. Dort, wo sie kurz
zuvor gelegen hatte, stieß ein zwei Meter langer Ast tief in
den Boden.
Diesmal
kreischte Lavinia nicht, sondern sprintete los, zurück in die
Stadt.
Nadia
folgte ihr so schnell sie konnte. Von
links und rechts sausten ihnen speerähnliche Äste entgegen.
Das Buch in ihrer Jeans behinderte sie beim Rennen und stieß
ihr bei jedem Schritt in den Bauch. Dazu kam der glatte Weg, auf dem
sie eher dahinrutschten als rannten. Kurz vor Ende des Waldes
richteten sich mit einem Mal die Wurzeln der umliegenden Bäume
auf, als wollten sie den Weg zuknoten.
Nadia
überholte Lavinia und betete, dass sie beide es rechtzeitig
schaffen würden, bevor die Wurzeln sich zu hoch aufgetürmt
hatten. Schon jetzt erhoben sie sich auf
Brusthöhe.
Da
rutschte Lavinia aus und
Nadia kam kurz vor der Anhäufung rutschend
zum Stehen.
»Steh
auf!«, schrie Nadia und kletterte auf die Wurzeln, die sich wie
Schlangen umeinander knoteten. Als sie fast auf der anderen Seite war, sah sie,
dass Lavinia nicht von selbst ausgerutscht war. Um sie herum türmten
sich zahlreiche Wurzeln und wollten sie festhalten. Lavinia würde
es nicht schaffen, sich rechtzeitig zu befreien und über das
inzwischen weiterwachsende Hindernis zu klettern.
Nadia
kletterte zurück, um Lavinia aus ihrer misslichen Lage zu
befreien.
L avinia
wollte aufstehen und stütze sich dabei auf dem kalten Eis ab.
Gerade, als Nadia ihr helfen wollte, packte eine kalte starke Hand
unter Lavinias Hosenbein und umklammerte ihren Knöchel. Sie
konnte an Nadias Gesichtsausdruck sehen, dass das, was Lavinia
festhielt, erschreckend sein musste. Ungläubig schüttelte
sie den Kopf.
Sie
drehte sich um und sah in das gespaltene Gesicht des toten Försters.
Er grinste verrückt, während dicke Maden über
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