Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
oder gar zu schreien.
Der
alte Mann, hatte ihr damals die Geschichte der kleinen Minoush nicht
zu Ende erzählt. Doch das musste er gar nicht. Jeder Magier und
jedes Geschöpf in Ayorweden wusste, dass die heilige Minoush ihr
Leben und ihre Kräfte damals geopfert und mit ihren dreizehn
Gaben an den Himmel die zweite Welt Ayorweden erschaffen und allen
magischen Wesen den Schutz vor der Wut der Sapier geboten hat. Der
Kontinent war somit der Nabel der Welt Ayorweden. Würde man die
magische Welt mit der Erde vergleichen, wäre Mandaal ungefähr
dort, wo Deutschland auf der Erde ist nur um ein vielfaches größer.
In Ayorweden gab es nicht so viele Länder wie auf der Erde …
Strähnen
flogen sanft über ihr Gesicht, sie war vollkommen ruhig, hatte
keine Angst, während sich ihr langsam der Boden der
Eingangshalle näherte.
Minoush
hatte ihr Leben als dreizehnte Gabe geopfert, um ihre Landsleute zu
retten. Hatte Sofie es ebenfalls geschafft mit ihren Tod jemanden zu
beschützen?
Es war einmal
N adia
Braun stand vor dem Spiegel in ihrem Bad und rückte die Brille
zurecht. Das tat sie oft. Heute war es das siebte Mal, dass sie ihre
Brille ein paar Millimeter zur Seite schob, nur um sie wenig später
wieder zurückzuschieben. Es war kurz nach sechs und Nadia war
seit mehr als einer halben Stunde wach, was ihr nichts ausmachte, da
sie immer so früh aufstand. Doch heute war es etwas anderes. Sie
hatte die Nacht über kein Auge zugetan. Es war eine Erlösung
für sie, endlich aufstehen zu können. Sie war aufgeregt,
sehr aufgeregt denn heute war ihr erster Arbeitstag in der für
ihre Erfolge bekannten Kanzlei. Nadia stand am Anfang ihrer Karriere,
hatte mit fünfzehn das Abitur absolviert und erfolgreich Jura
studiert. Vor drei Wochen hatte sie als Jahrgangsbeste das Studium
abgeschlossen und sich bei verschiedenen Kanzleien beworben. Trotz
ihrer guten Noten hatte kaum eine der Kanzleien geantwortet.
Sie
musste um acht Uhr im Büro sein.
Hektisch packte sie ihre Unterlagen in die Handtasche, angelte sich
ihren Schlüssel von der Kommode und schloss die Wohnungstür
hinter sich. Sie klapperte zusammen mit ihrem Schlüssel die
Treppen hinunter, als ihr einfiel, dass sie den Mietvertrag eines
Discounters, den sie schreiben sollte, auf ihrem Schreibtisch
vergessen hatte. Nachdem sie zum zweiten Mal aus ihrer Wohnung kam,
diesmal den Vertrag in der Hand, stieß sie auf ihre
Vermieterin. »Guten Morgen Frau Braun, Sie haben vergessen,
Ihren Briefkasten auszuleeren … das seit zwei Tagen!«
Nadia
entfuhr ein ungeduldiges Geräusch. »Guten Morgen Frau
Zhang. Habe ich das wieder vergessen?«
»O
ja, und das zum neunten Mal, seit wir dieses Jahr schreiben«,
sagte Frau Zhang und wuselte Nadia über den Hof hinterher. Ihr
cremefarbener Morgenmantel zappelte aufgeregt um ihre Beine, während
ihre wuscheligen rosa Pantoffeln mit jedem Schritt unter ihrem Saum
hervorblitzten. »Ist in Ordnung. Wenn ich zurück bin, leer
ich meinen Briefkasten sofort aus«, sagte Nadia gereizt und
gehetzt über ihre Schulter hinweg. Hatte diese Frau nichts
Besseres zu tun, als ihr um halb sieben aufzulauern?
»Oh
nein! Da ist nichts in Ordnung. Sie werden ihren Briefkasten jetzt
leeren! Sehen sie nur, wie das aussieht.« Frau
Zhang zeigte mit drohender Miene auf den Briefkasten in der Mitte der
an der Hauswand angebrachten Kästen. Ein Prospekt eines
bekannten Möbelhauses lugte mit der Ecke aus ihm hervor.
»Na
gut.« Nadia öffnete ihren Briefkasten und stopfte den
Packen Post, ohne
zu überlegen, in ihre Handtasche und lief dem Hoftor entgegen.
»Geht
doch …«, hörte sie ihre Vermieterin, während
sie durch das Hoftor auf die Straße hetzte.
In
der U-Bahn war es um diese Zeit ruhig. Nadia nahm einen Platz in der
hintersten Reihe und versuchte, sich wieder zu sammeln. Während
sie ihre Gedanken schweifen ließ, erinnerte sie sich an den
Zeitpunkt an dem sie sich entschieden hatte, sich in dieser Kanzlei
zu bewerben. Sie war bereits zwei Wochen arbeitslos gewesen, als ihr
eine Annonce in der Nürnberger
Morgenpost aufgefallen
war. Es war eine sehr kleine Anzeige gewesen, was sie sehr gewundert
hatte. Schließlich
war es bundesweit eine der renommiertesten Kanzleien. Sie hatte keine
großen Hoffnungen, beachtet zu werden, hatte sie doch von
keinem der anderen zweiunddreißig Anwaltsbüros eine
Antwort bekommen. Zu ihrer großen Überraschung hatte sie
zwei Tage später eine Einladung zum Vorstellungsgespräch.
»Nächste
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