Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
einem Tuch die Wunde an Maggrigs Kopf abtupfte. Der Schnitt war nicht tief; die Schläfe war blau angelaufen und geschwollen. Beltzer saß am Feuer, einen Krug Bier in der Hand. Kiall stand am Fenster und sah auf das Schlachtfeld hinunter. Er hatte sich heute selbst überrascht, als er die Feldarbeiter in den Kampf führte – die Erregung war groß gewesen, und seine Angst war im Chaos des Getümmels untergegangen. Jetzt fühlte er sich als Krieger. Er blickte zum Himmel hinauf. Wie blau er war, wie frisch und klar die Luft. Er drehte sich um und lächelte Chareos an; dann wanderte sein Blick zu Beltzer. Häßlich war der Mann, doch er hatte seine Axt geschwungen wie ein sagenhafter Riese. Maggrig und Finn hatte er nicht in Aktion gesehen; aber allein im selben Raum zu sein wie die Helden von Bel-Azar, erfüllte ihn mit Stolz.
Eine Dienstmagd brachte das Essen, doch Kiall hatte keinen Hunger mehr. Beltzer nahm sich seinen Anteil, während Chareos schweigend dem Riesen gegenübersaß und ins Feuer starrte. Finn hatte einen Leinenverband um Maggrigs Kopf gewickelt, und der jüngere Mann war auf dem Bett eingeschlafen. Es wurde nicht geredet, und so zog Kiall sich einen Stuhl heran und setzte sich schweigend. Seine Hände fingen zu zittern an; der Magen drehte sich ihm um. Chareos sah es und reichte ihm ein Stück dunkles Brot.
»Iß das«, befahl er. Kiall nickte und knabberte an der Kruste, und die Übelkeit verging.
»Was jetzt?« fragte Beltzer und stellte den leeren Krug neben seinen Stuhl. »Wieder Holz hacken und Waldarbeiter verhauen?«
»Was schlägst du vor?« fragte Chareos leise.
»Ich möchte, daß es wieder so ist, wie es war«, antwortete der Riese.
»Nichts ist, wie es war. Ich sag’ dir was, Beltzer, alter Freund – es war
nie
so, wie es war.«
»Was soll das denn heißen? Na ja, du warst immer schon so klug mit Worten. Aber Worte sind nichts weiter als Schweinefürze. Ich bin nicht alt. Ich kann mit jedem Mann mithalten! Ich kann einen See aus Bier trinken und immer noch ein Faß voll Sand über den Kopf stemmen. Und es gibt keinen Mann auf der Welt, der es im Kampf mit mir aufnimmt.«
»Da hast du wahrscheinlich recht«, pflichtete Chareos ihm bei. »Aber jung bist du nicht mehr. Wie viele Jahre hast du auf dem Buckel, Beltzer? Fünfzig?«
»Achtundvierzig. Und das ist
nicht
alt.«
»Alter als Kaiin in Bel-Azar gewesen ist. Und hast du ihm nicht geraten, nach Hause zu gehen und das Kämpfen den Jüngeren zu überlassen?«
»Das war ein Scherz«, fauchte Beltzer. »Und ich wußte damals nicht, was ich jetzt weiß. Bei den Göttern, Schwertmeister, es muß doch etwas für mich zu tun geben!«
Chareos lehnte sich in seinem Sessel zurück und streckte die Beine dem Feuer entgegen. »Ich bin auf einer Suche«, sagte er leise.
Beltzer beugte sich vor; seine Augen funkelten. »Erzähl mir davon«, bat er.
»Ich helfe dem jungen Kiall, eine Frau zu retten, die von den Nadren geraubt wurde.«
»Eine Dame von Adel? Eine Prinzessin?«
»Nein, ein Dorfmädchen – die Tochter eines Schweinezüchters.«
»Was? Warum? Wie kann man dabei Ruhm ernten? Die Nadren rauben seit Jahrhunderten Frauen. Wer wird schon ein Lied über die Rettung der Tochter eines Schweinezüchters singen?«
»Niemand«, gab Chareos zu. »Aber wenn du lieber hier bleibst und Holz hackst …«
»Das habe ich nicht gesagt! Leg mir keine Worte in den Mund.
Welcher Trupp hat sie geraubt?«
»Das weiß niemand.«
»Zu welchem Nadirlager sind sie geritten?« Chareos zuckte die Achseln. »Das wissen wir nicht.«
»Wenn du dich über mich lustig machst, schlage ich dir den Schädel ein«, sagte Beltzer. »Was
wissen
wir denn?«
»Wir wissen, daß das Mädchen geraubt wurde. Jetzt müssen wir sie nur noch finden – und zurückrauben.«
»Dafür brauchst du den Tätowierten Mann, und der ist verschwunden. Wahrscheinlich ist er längst tot.«
»Genau das habe ich auch gedacht«, stimmte Chareos zu, »aber ich werde ins Tal reiten und ihn suchen. Es sei denn, du hast einen besseren Plan.«
»Alles
ist besser als diese ganze Geschichte«, sagte Beltzer. »Sie werden dir den Kopf abhacken und ihn schrumpfen, um ihn am Gürtel zu tragen. Du sprichst noch nicht einmal ihre Sprache.«
»Aber du.«
»Ich brauche mehr Bier«, sagte Beltzer, stand auf und ging aus dem Zimmer.
»Wer ist der Tätowierte Mann?« fragte Kiall. »Und wo ist das Tal?«
»Das Tor ist nicht von dieser Welt«, antwortete Finn, der sich zu ihnen gesellte.
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