Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
und suchte langsam den Pfad ab. Endlich zufrieden, schlüpfte er ins Mondlicht hinaus und wandte sich nach rechts. Es gab zahlreiche Verstecke, doch Finn brauchte einen Platz, der Bewegungsfreiheit zum Kämpfen bot. Der Bogen war keine gute Waffe für die Nacht. Im Mondschein waren Entfernungen schwer zu schätzen, so daß sich eine gute Verteidigungsstellung als Todesfalle erweisen konnte, wenn es nicht noch einen zweiten, sicheren Weg hinaus gab.
Er kauerte sich hinter ein Gebüsch und versuchte, Maggrig zu erspähen. Finn sah keine Spur von dem blonden Jäger und lächelte. Endlich lernte er etwas! Eine Stunde verging … dann eine weitere.
Finn schloß die Augen und konzentrierte sich auf die Geräusche der Nacht – flachte sie ab, floß mit dem Rhythmus des Landes dahin, suchte den Mißklang. Er fand nichts – und das beunruhigte ihn. Okas irrte sich selten. Wenn er sagte, daß Feinde in der Nähe waren, dann waren Feinde in der Nähe. Finn leckte sich die Lippen und spürte, wie sein Herz schneller schlug. Wenn er die Gegner nicht hören oder sehen konnte, gab es nur zwei Möglichkeiten. Entweder hatte Okas sich geirrt, oder die Männer, die sie jagten, waren ebenso geschickt wie die Verteidiger. Mit langsamen und geschmeidigen Bewegungen ließ Finn sich tiefer zu Boden sinken und warf einen Blick zurück zum Eingang der Höhle. Er konnte keine Bewegung wahrnehmen. Er starrte auf die Felsen. Nichts. Nur Gestein, Gras und vereinzelte, dunkle Büsche.
Vorsichtig ging Finn zurück, spannte seinen Bogen und legte einen Pfeil auf. Wenn der Feind geschickt war, hatte er vielleicht gesehen, wie er und Maggrig die Höhle verlassen hatten. Der Gedanke, daß Maggrig in Gefahr war, ließ Finn beinahe in Panik geraten, doch er unterdrückte das Gefühl mit aller Kraft. Wenn man sie gesehen
hatte,
dann würden sie jetzt kommen, um zu töten. Doch Finn hatte seinen Weg mit Bedacht gewählt, so daß er jetzt eine gute Position hatte. Seine rechte Flanke wurde von einigen Felsen geschützt; vor ihm und links von ihm war Platz zum Kämpfen. Hinter ihm war der schmale Pfad, der nach rechts um die Felswand führte. Finn ließ sich auf den Bauch nieder und schob sich auf den Ellbogen vor, bis er im Gebüsch lag. Er hatte jetzt zwar nicht mehr den Vorteil, daß links Platz zum Kämpfen war, aber er war vor einem unmittelbaren Angriff geschützt und wußte, daß der Feind ihn nicht mehr sehen konnte.
»Das ist Unsinn«, sagte er sich. »Hier ist niemand. Du fürchtest dich vor Schatten.«
Denk nach, Mann. Denk nach! Er versetzte sich in die Lage des Jägers. Du hast die Beute gesehen. Was mußt du jetzt tun?
Du mußt dafür sorgen, daß sie sich zeigt, damit du den tödlichen Schuß abgeben kannst.
Wie?
Biete dem Gegner ein Ziel. Laß ihn dich sehen. Finn riskierte einen Blick zu dem offenen Gelände, das jetzt rechts vor ihm lag. Ja, dort würde er einen Mann hergehen lassen. Das würde bedeuten, daß Finn aufstehen müßte, um zielen zu können. Er blickte schnell in das Unterholz hinter sich. Es gab nur zwei Stellen, an denen ein Angreifer warten konnte: bei der knorrigen Buche, hinter dem dicken silbrigen Stamm, oder hinter dem abgerundeten Felsen, hinter dem der Höhleneingang lag. Oder vielleicht an beiden Stellen? Finn brach der Schweiß aus.
Das einzig Vernünftige war Rückzug. Der Feind hatte alle Vorteile. Aber zurückzuweichen hieß, zur Höhle zu fliehen, und das würde ihn ins freie Feld bringen. Selbst wenn er es bis zu der Felswand schaffte, säße er anschließend in der Falle. Und auch Maggrig säße fest. Behutsam legte er seinen Bogen auf die Erde, hob die Hände an den Mund, die Daumen aneinandergelegt, und stieß viermal den tiefen Schrei einer Eule aus.
Voraus ertönte das grunzende Husten eines Dachses.
Maggrig war noch in Sicherheit. Und er kannte die Gefahr und hatte einen der Feinde erspäht!
Finn ließ sich tief in das Gebüsch hinab und machte sich lautlos auf den Rückweg.
Ein Mann mit einem Bogen trat in das offene Feld, das vor ihm lag. Um schießen zu können, mußte Finn aufstehen. Der Mann ging auf sein Versteck zu, und Finn holte tief Luft und erhob sich. Gleichzeitig zog er die Sehne zurück. Plötzlich fuhr er herum. Ein weiterer Angreifer erschien hinter dem Felsen, zwanzig Schritte hinter ihm. Finn schickte einen Pfeil los, der dem Mann in den Schädel fuhr; dann ließ er sich zu Boden fallen. Zwei Pfeile zischten durch die Luft – dort, wo er gerade noch gestanden hatte. Finn
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