Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
lächelte. Die Tore schwangen hoch, und er ritt hindurch. Schweiß rann ihm über den Rücken, und er brachte es nicht fertig, zu dem Bogenschützen hochzuschauen. Er lenkte sein Pferd an ein Geländer, an dem man die Tiere anbinden konnte, und stieg ab. Unweit davon war ein Brunnen, und Kiall wand einen Eimer hoch und trank aus einer rostigen, eisernen Kelle.
Er hörte Männer näherkommen, drehte sich langsam um und sah vier Wachen, die mit gezogenen Schwertern auf ihn zukamen. Er breitete die Hände aus. »Es besteht kein Anlaß zur Gewalt, meine Freunde. Ich bin hier, um eine Frau zu kaufen – vielleicht zwei.«
»Zeig uns dein Gold«, antwortete ein großgewachsener Mann.
Kiall schob die Hand in die Tasche und brachte den Ring zum Vorschein. Er warf ihn dem Mann zu, der ihn sorgfältig prüfte.
»Sehr hübsch«, sagte er. »Und der Rest?«
»Versteckt, bis wir unser Geschäft abgeschlossen haben.«
»Versteckt, was? Na, wir kennen ein paar Tricks, die jeden Mann seine Geheimnisse ausplaudern lassen.«
»Das glaube ich dir gern«, sagte Kiall. »Jetzt bring mich zu dem, der hier der Anführer ist.«
»Woher weißt du, daß
ich
es nicht bin?« fragte der Mann höhnisch.
Kiall wurde wütend. »Vielleicht bist du’s. Ich habe allerdings angenommen, der Anführer hätte mehr Hirn.«
»Du Hundesohn!« Der Mann zog sein Schwert, und Kiall sprang nach rechts und zog ebenfalls seinen Säbel.
»Laß ihn in Ruhe!« dröhnte eine Stimme, und die Krieger erstarrten. Ein großer Mann, ganz in Schwarz gekleidet, kam durch die Menge, die sich hinter der Gruppe gebildet hatte.
»Was geht dich das hier an?« fragte der Krieger mit dem Schwert.
»Ich kenne diesen Mann«, antwortete der Schwarzgekleidete, »und ich will nicht, daß er getötet wird.« Kiall betrachtete den Sprecher genauer. Er war hager und hatte ein Adlergesicht; über einer Wange verlief eine zackige Narbe. Er hatte eine Hakennase, und seine Züge waren dunkel und hart. Doch Kiall hatte ihn noch nie gesehen.
»Warum steckst du deine lange Nase in die Angelegenheiten anderer Leute, Harokas?« spottete der Schwertträger.
Der Mann lächelte kalt und zog seinen Säbel. »Du bist ein hirnloser Tölpel, Githa! Der Tag ist noch nicht gekommen, an dem du mir mit dem Schwert überlegen bist.«
Githa schluckte nervös und wich zurück, wohl wissend, daß er zu weit gegangen war.
»Genug!« brüllte Kiall, wobei er sein Bestes tat, um den befehlsgewohnten Tonfall von Chareos nachzuahmen. Beide Männer erstarrten. »Du«, sagte Kiall und stellte sich vor Githa. »Gib mir den Ring zurück, und scher dich wieder auf die Brüstung.« Der Mann blinzelte sich den Schweiß aus den Augen und gehorchte bereitwillig. Er blickte Harokas nicht an, sondern schob sein Schwert in die Scheide und eilte davon. Da die Aufregung vorbei war, zerstreute sich die Menge. Harokas grinste und schüttelte den Kopf.
»Nicht schlecht für einen Bauernjungen«, sagte er. »Gar nicht schlecht. Offenbar hat Chareos dich gut ausgebildet. Ist er in der Nähe?«
»Vielleicht. Bist du ein Freund von ihm?«
»Nein, aber ich muß ihn sprechen. Ich suche euch schon seit fast vier Monaten.«
»Warum?«
»Ich habe eine Botschaft vom Grafen«, sagte Harokas. Er schöpfte eine Kelle Wasser aus dem Eimer und trank. »Aber was machst du hier, Kiall, so weit weg von zu Hause?«
»Wenn du vom Grafen kommst, weißt du das. Die Frauen aus meinem Dorf wurden hierher verschleppt.«
»Und du bist hier, um sie zurückzuholen? Wie edel von dir. Nur schade, daß du zu spät gekommen bist. Die letzten Frauen wurden schon vor Monaten verkauft. Dies ist nur ein Marktflecken, Kiall. Ungefähr alle drei Monate kommen Nadirkaufleute und Fürsten her, um Sklaven zu kaufen.«
Kiall schluckte seine Enttäuschung hinunter.
»Wie kommt es dann, daß du – ein Mann des Grafen – hier willkommen bist?«
»Ich bin an vielen seltsamen Orten willkommen. Also gut, ich bringe dich zu dem Führer, nach dem du gefragt hast. Vielleicht findest du dann ein paar Antworten.«
Kiall folgte dem hochgewachsenen Mann durch die Gassen bis zum Halteplatz. Hier war die Halle, die er vom Hügel aus gesehen hatte. Harokas betrat das Gebäude und führte Kiall zu einem mit Vorhängen abgeteilten Raum an der Rückseite.
Eine Frau erhob sich von einem satinbezogenen Diwan und kam ihnen entgegen. Ihr Haar war kurzgeschnitten und dunkel, ihre großen Augen standen schräg, ihre Lippen waren voll. Sie trug eine schwarze, in der
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