Die Drenai-Saga 5 - Im Reich des Wolfes
ins Land der Drenai einzumarschieren, und ich habe meine eigenen Pläne.«
»Das verstehe ich, Majestät. Ihr wollt sicher die Sentranische Ebene als Teil Gothirs zurückerobern, was nur richtig und gerecht ist. Aber das wird nicht mehr als zehntausend Mann erfordern. Eurem Befehl unterstehen zehnmal so viele.«
»Aber ich brauche sie, Zauberer. Es gibt immer Feinde im Innern, die den Monarchen stürzen wollen. Ich kann dir fünftausend Mann für diese kleine Aufgabe überlassen. In einem Monat hast du das Massaker, das du dir wünscht.«
»Ihr mißversteht mich, Majestät«, sagte Zhu Chao mit einer tiefen Verbeugung, bei der er die Hände ausbreitete wie ein Bittsteller. »Ich denke nur an die Zukunft Gothirs.«
»Oh, ich glaube an die Prophezeiung, Zauberer. Andere Magier und mehrere Schamanen haben mir ähnliche Geschichten erzählt, wenn auch keiner einen einzelnen Stamm beim Namen nannte. Aber du hast andere Gründe für deinen Wunsch, die Wölfe zu vernichten, sonst hättest du den, der die Stämme eint, zurückverfolgt bis zu einem Mann mit einem Namen. Das hätte die Aufgabe sehr viel einfacher gemacht: ein Messer in der Nacht. Halte mich nie für einen Dummkopf, Zhu Chao. Du hast eigene Gründe dafür, warum sie alle sterben sollen.«
»Ihr seid allweise, Majestät, und allwissend«, flüsterte der Zauberer, fiel auf die Knie und berührte mit der Stirn den Boden.
»Nein, das bin ich nicht. Und das zu wissen, ist meine Stärke. Aber ich werde dir die Toten geben, die du willst. Du bist mir ein guter Diener gewesen und hast nie ein falsches Spiel mit mir gespielt. Und wie du schon sagst, es sind nur Nadir. Es wird die Truppe anstacheln, die Soldaten anfeuern vor der Invasion von Drenan. Ich verstehe dich doch recht – du willst die Ritter der Bruderschaft in den Kampf schicken?«
»Selbstverständlich, Majestät. Wir brauchen sie, um gegen die böse Macht Kesa Khans zu kämpfen.«
Die Szene verblaßte, und Ekodas fühlte wieder das warme Gefängnis seines Körpers. Er öffnete die Augen und sah, wie Dardalion ihn anstarrte. »Sollte ich daraus etwas lernen, Vater Abt? Ich sah nur schlechte Männer, stolz und unbarmherzig. Die Welt ist voll davon.«
»Das stimmt«, gab Dardalion ihm recht. »Und sollten wir unser Leben damit verbringen, durch die Welt zu reisen und sie zu erschlagen, gäbe es am Ende unserer Reise mehr von ihnen als zu Beginn.«
»Aber genau das ist doch mein Argument, Herr Abt«, sagte Ekodas erstaunt.
»Stimmt. Und das solltest du bedenken. Ich schätze dein Argument, und ich akzeptiere die Voraussetzung, auf der es beruht. Dennoch glaube ich an die Sache der Dreißig. Ich glaube trotzdem, daß wir ein Tempel der Schwerter sein müssen. Ich möchte, daß du morgen abend die Diskussion leitest, Ekodas. Ich werde deine Argumente vortragen, als wären es meine eigenen. Und du wirst meine vortragen.«
»Aber … das macht doch keinen Sinn, Vater. Ich verstehe deine Sicht nicht einmal ansatzweise!«
»Gib dein Bestes. Ich werde aus dieser Debatte eine offene Wahl machen. Die Zukunft der Dreißig hängt von ihrem Ausgang ab. Ich werde mein möglichstes tun, um unsere Brüder von der Stichhaltigkeit deiner Argumente zu überzeugen. Du darfst nicht weniger tun. Wenn ich gewinne, dann verschwinden die Schwerter und Rüstungen wieder in den Lagern, und wir werden als mönchischer Orden weiter bestehen. Gewinnst du, wollen wir die Führung der QUELLE abwarten und unserem Schicksal entgegenreiten.«
»Warum kann ich nicht für meine eigenen Überzeugungen eintreten?«
»Glaubst du, ich werde ihnen keine Gerechtigkeit widerfahren lassen?«
»Nein, natürlich nicht, aber …«
»Dann ist es abgemacht.«
5
Morak hörte sich mit wachsender Verärgerung die Berichte der Jäger an. Nirgends eine Spur von Waylander, und der Mann namens Dakeyras hatte sich als kahl werdender Rotschopf entpuppt, mit einem Gesicht, das aussah, als wäre eine Büffelherde darüber hinweggetrampelt.
Ich hasse Wälder, dachte Morak, der mit dem Rücken an den Stamm einer Weide gelehnt saß, den grünen Umhang fest um sich gewickelt. Ich hasse den Geruch von Moder, den kalten Wind, den Dreck und den Schlamm. Er warf einen Blick auf Belash, der abseits der anderen saß und mit langen Strichen sein Messer schärfte. Das Knirschen des Wetzsteins verschlechterte Moraks Laune noch.
»Nun, irgendwer hat Kreeg getötet«, sagte er schließlich. »Irgend jemand hat ihm ein Messer oder einen Pfeil durchs Auge gejagt.«
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